Die große Not der kleinen Schützenvereine in Neuss „Wir finden keinen Zeltverleiher mehr“

<irwordspace style="word-spacing -0075em;"><irglyphscale style="font-stretch 97%;">Neuss</irglyphscale></irwordspace> · Die kleinen Schützenvereine in Neuss haben eine Interessengemeinschaft gebildet, die die großen Vereine um Solidarität bittet und auch schon ein „Notopfer“ diskutiert hat. Das sind ihre vielen Probleme.

Das Festzelt – bei Schützenfesten ist es stets der Mittelpunkt der Gemeinschaft. Doch immer mehr – vor allem kleine – Vereine haben Probleme, überhaupt noch einen Zeltbauer beziehungsweise Zeltwirt zu finden.

Foto: Simon Janßen

Mit dem Schützenwesen in der Stadt ist es fast so wie mit der Fußball-Bundesliga. Es gibt große Vereine mit steigenden Mitglieder- und Umsatzzahlen, die sich zur Champions League zählen, und daneben eine wachsende Zahl kleiner Clubs, die immer schwerer die Klasse halten können. Im Neusser Süden haben sich einige davon zu einer Interessengemeinschaft zusammengeschlossen, die einerseits Möglichkeiten der Zusammenarbeit auslotet, andererseits Solidarität der Großen einfordert. „Denkt auch an die Kleinen“, appellierte Olaf Vogt, Geschäftsführer im Verein „Einigkeit“ Elvekum, beim Treffen aller Schützenpräsidenten am Mittwoch im Haus der Bürgergesellschaft. Diese „Kleinen“ haben bereits einige Ideen in petto – bis hin zu einem „Notopfer“, einer Abgabe vom Pro-Kopf-Zuschuss, den die Stadt jedem Schützenverein jährlich zahlt.

Das Präsidententreffen unter dem Vorsitz des Komitees des Neusser Bürger-Schützen-Vereins, dem größten Verein weit und breit, dient auch dazu, sich einen Überblick über die Entwicklung bei den Musikkosten und – eng damit verbunden – die Höhe der Mitgliedsbeiträge zu verschaffen. Beide Kurven kennen seit einigen Jahren nur eine Richtung – nach oben. Und Johannes Steinhauer, neu ins Amt gekommener Präsident des Bürger-Schützenvereins Weckhoven, hat den Eindruck, dass „sich die Preisspirale bei der Musik immer schneller dreht.“

Die Further St.-Sebastianus-Schützen zum Beispiel rechnen zum dritten Mal in Folge mit einem Preisanstieg im zweistelligen Prozentbereich. Auch deshalb haben etliche Vereine den Mitgliedsbeitrag erhöht oder planen das für dieses Jahr. Spitzenreiter sind aktuell die Bürgerschützen in Reuschenberg und Weckhoven mit 120 Euro pro Kopf. Und Steinhauer weiß nicht, wie lange das angesichts leicht sinkender Mitgliederzahlen trägt.

Zu diesen Problemen kommen nun noch zwei Punkte verschärfend hinzu: Die Gestaltung der Kirmesplätze – und die Suche nach einem Zeltbauer und Festwirt.

Thomas Mathen vom städtischen Ordnungsamt kann zwar die Veranstalter der größeren und großen Volksfeste in Sachen Kirmes beruhigen: „Die Bewerberzahlen für die großen Plätze sind stabil.“ Die kleinen Kirmesplätze aber seien immer schwerer zu bestücken, unter anderem wegen Betriebsaufgaben.

Kleinere Vereine bieten Schaustellern ein Standgeld an

„Es wird auf einigen Plätzen zu Veränderungen kommen“, kündigte Mathen etwas nebulös an. Einige kleine Vereine gingen daher inzwischen sogar so weit, ergänzt Vogt, den Schaustellern ein Standgeld zu bieten, damit die überhaupt kommen. „Früher wurde das von denen kassiert“, fügt er hinzu.

Das Thema Kirmesplätze kennt man schon in der Präsidentenrunde, wo Wolfgang Bongartz von der Kirmesgesellschaft Helpenstein aber ein weiteres Problem aufzeigte. „Wir finden keinen Zeltverleiher mehr“, sagte er kurz und bündig. Im Nachbarort Speck-Wehl sei das noch anders, sagt er. Aber auch nur, weil der Zeltbauer mit dem Verein „fast verheiratet“ sei. In Erfttal, das beim Gipfeltreffen nicht vertreten war, kennt man das Problem schon länger. Dort mietet der Verein das Zelt selbst und stemmt auch die Bewirtschaftung mit eigenen Kräften. Für viele Schützen aber hört der Spaß am Schützenfest auf, wenn sie in Uniform am Zapfhahn stehen müssen.

Und das Problem Zeltbau werde sich noch verschärfen, berichtet Thomas Schröder, der Bezirksbundesmeister der historischen Schützenbruderschaften. Er rechnet damit, dass die Zahl der Zeltbauer durch Generationenwechsel und Zusammenlegungen weiter schrumpfen wird. In Kaarst sei deshalb schon die Frage gestellt worden, berichtet Schröder, ob nicht gemeinsam ein zentrales Schützenfest gefeiert werden könnte. „Das ist natürlich fernab aller Planungen“, stellte er klar.

Wie sich Verknappung ausdrückt, hat der Verein „Einigkeit“ erlebt. Dort mussten vor zwei Jahren 85 Anbieter aufgestöbert und kontaktiert werden – bis weit in die Niederlande hinein. Ein Problem bei den Verhandlungen sei stets, so Olaf Vogt, dass die Zeltwirte eine Gewinngarantie haben wollen. Für Elvekum müssten dazu 15 Hektoliter Bier verzapft werden. Um das zu erreichen, müsste man entweder die Dorfgemeinschaft über Tage hinweg „unter Strom setzen“ – oder für jedes nicht verzapfte 100-Liter-Fass 1000 Euro pauschal an den Wirt zahlen, rechnet Vogt vor.

Ein Lösungsvorschlag aus der Interessengemeinschaft der Vereine im Neusser Süden, für Michael Esser von der Andreas-Bruderschaft Norf eine „Selbsthilfegruppe“, zielt deshalb darauf ab, dass die Großen Bierkontingente für die Kleinen garantieren. Er sei der festen Überzeugung, so Esser, „dass eine Initiative gestartet werden muss“, sieht aber auch weitere Möglichkeiten engeren Zusammenarbeit – etwa bei der Öffentlichkeitsarbeit.

Um die Zeltfrage zu lösen, hat die Interessensgemeinschaft im Neusser Süden bereits über die Anschaffung eines eigenen und gemeinsam genutzten Zeltes nachgedacht. Aber dann hätten die Vereine auch das Problem mit Aufbau, Lagerung, Sicherheit und Wartung am Bein. „Wir haben Angst“, sagt Vogt, „dass wir in Zukunft kein Zelt mehr haben“ – und wie in einem Biwak feiern.