Landesbetrieb kündigt Elterninitiative in Neuss Existenzkampf der Waldkindergärten

<irwordspace style="word-spacing -0075em;"><irglyphscale style="font-stretch 97%;">Neuss </irglyphscale></irwordspace> · Beim Landesverband der Wald- und Naturkindergärten häufen sich Nachrichten von Waldkindergärten in Not. Ausgelöst wird die auch durch den Landesbetrieb Holz und Wald NRW, der den Einrichtungen alle Kosten aufbürdet, die sich aus der Pflicht zur Verkehrssicherung ergeben. Getroffen hat es auch „Die Frischlinge“.

Von ihrem Stammplatz mit den beiden Bauwagen in Rosellerheide brechen die 20 Kinder des Waldkindergartens „Die Frischlinge“ täglich zu Exkursionen in den Knechtstedener Busch auf.

Foto: Frischlinge

Dem Modell Waldkindergarten droht der Verlust seines Stamm-Biotops. Einige private Waldbesitzer würden die Gruppen gerne loswerden – und tragen dazu die Sorge um die Waldgesundheit ihrer Bestände vor. Die größte Bedrohung für die meist von Elterninitiativen getragenen Einrichtungen geht derzeit aber von einem Bürokratiemonster aus. Das verbirgt sich hinter dem Wort „Gestattungsvertrag“ – und genau den hat der Landesbetrieb Wald und Holz Nordrhein-Westfalen einigen Waldkindergärten aufgekündigt.

Der Grevenbroicher Garlef Ehlig, Vorstandsmitglied im Landesverband der Wald- und Naturkindergärten, weiß von mindestens sechs Kitas, vermutlich seien es aber deutlich mehr. Getroffen hat die Kündigung des Vertrages, an den wiederum die Betriebsgenehmigung geknüpft ist, auf jeden Fall den Waldkindergarten „Die Frischlinge“ in Rosellerheide. Doch auch dessen Vorstandsvorsitzende Nicole Hinz zieht den Kreis gleich größer. Die Nachbareinrichtung in Knechtsteden sei ebenfalls betroffen – „und wir wissen von einigen mehr“. Die seien dabei, sich über den Landesverband zu organisieren, der schon das Gespräch mit dem Landesjugendamt gesucht hat und sich auch um einen Austausch mit „Wald und Holz NRW“ bemüht. Denn es gehe um ein strukturelles und damit politisches Problem, sagt Ehlig.

Den „Frischlingen“ war der Gestattungsvertrag zum Jahresende ohne Vorwarnung gekündigt, aber gleich ein neuer zur Unterschrift vorgelegt worden. Der entscheidende Unterschied: Ab sofort ist der Kindergartenträger aus Gründen der Verkehrssicherung selbst verpflichtet, die genutzten Plätze im Wald alle 18 Monate durch einen Baumsachverständigen untersuchen zu lassen. Das hat der Trägerverein gerade für einen von vier Orten im Mühlenbusch und dem Knechtstedener Wald, die die Frischlinge reihum ansteuern, durchexerziert. Neben den Gutachterkosten in Höhe von fast 1000 Euro muss der Verein in der Konsequenz jetzt auch noch ein zertifiziertes Unternehmen mit der Beseitigung des festgestellten Totholzes beauftragen. Das wird den Elternverein weitere 5000 bis 8000 Euro kosten.

Änderungen sind notwendig, weil Zahl der Wald-Kitas gestiegen ist

Der Landesbetrieb begründet die Neufassung vieler Gestattungsverträge unter anderem damit, dass die Zahl der Waldkindergärten im Zuständigkeitsbereich des Regionalforstamtes Rhein-Sieg-Erft in den vergangenen eineinhalb Jahren weiter gestiegen ist. Das sei ein Grund, sagt Nicole Fiegler, warum „die erforderlichen Verkehrssicherungsmaßnahmen im Umfeld der Kindergärten nicht mehr in dem notwendigen Umfang durch Wald und Holz NRW gewährleistet werden können“. Hinzu kommt, dass das Vorkommen an Totholz im Wald durch klimatische Veränderungen stark zugenommen habe. Zugleich will der Landesbetrieb die unterschiedlichen vertraglichen Verabredungen mit den vielen Kita-Betreibern vereinheitlichen und an die geltenden Anforderungen anpassen. Wirtschaftliche Gründe seien nicht im Spiel, sagt Fiegler. Die Waldkitas dürften die Flächen weiter kostenfrei nutzen, Verwaltungsgebühren oder ein Gestattungsentgelt würden nicht erhoben.

Für die „Frischlinge“ ergibt sich aus der erzwungenen Vertragsneufassung ein existenzielles Problem. Der Trägerverein hat zwar eine Spendenaktion gestartet, die bis jetzt auch 1500 Euro eingebracht hat, „aber wir machen uns nichts vor: Das ist endlich“, sagt Hinz – während die Kosten für Baumgutachten und Totholzentfernung regelmäßig drohen. Das könne eine von Eltern betriebene Kindertageseinrichtung nicht finanzieren, sagt sie. Und einfach die Zahl der aufgesuchten Plätze zu reduzieren, sei auch nicht sinnvoll. Schließlich soll der Kita-Betrieb im Wald so wenig Spuren wie möglich hinterlassen. Deshalb wechseln die Kinder täglich den Spielort, sind mal am „Erdbeer-“, mal am „Gruben-“ oder ihrem „Lebensbaumplatz“ zu finden – wenn sie nicht gleich den Sonnenplatz aufsuchen.

Die Frischlinge sind nur einer von zwei Waldkitas in Neuss. Sie habe immer bedauert, sagt Susanne Kollatsch vom Waldkindergarten Neuss an der Aurinstraße, „dass wir nicht einen so schönen Wald haben wie die Frischlinge“. Aber jetzt ist sie ganz froh. Denn die Flächen im Selikumer Busch und rund um den Kinderbauernhof, wo die Kinder ihrer Einrichtung spielen, hält allein die Stadt in Schuss.