Neusser Bundestagskandidat Carl-Philipp Sassenrath Der Mann, der Hermann Gröhe beerben soll
<irwordspace style="word-spacing 025em;"><irglyphscale style="font-stretch 102%;">Rhein-Kreis/Neuss </irglyphscale></irwordspace> · Sein Gesicht hängt auf Wahlplakaten überall im Rhein-Kreis: Carl-Philipp Sassenrath, 34 Jahre alt, kandidiert für die CDU. Den Bundestags-Wahlkampf steuert er von seinem alten Kinderzimmer aus. Geht das gut?
Es ist eine undankbare Situation, in der Carl-Philipp Sassenrath gerade steckt. Gleich soll Hendrik Wüst ins Zeughaus kommen und die Kreis-CDU auf den Bundestagswahlkampf einschwören, aber der Ministerpräsident hat Verspätung: Wieviel, weiß keiner so genau. Sassenrath, 34 Jahre alt, Direktkandidat für den Wahlkreis Neuss I, muss überbrücken: Auf der Bühne steht er mit Ansgar Heveling, der für den anderen Neusser Wahlkreis kandidiert, und beantwortet Fragen im Talkshow-Format. Vielleicht für eine Stunde, vielleicht auch nur für fünf Minuten. Halt bis Wüst kommt. Kleiner Gag zum Einstieg: „Vielen Dank, dass Sie uns hier als Vorband des Ministerpräsidenten erdulden.“ Gelächter. Das Publikum hat Sassenrath schon mal auf seiner Seite.
Überzeugen muss der Neusser in den nächsten Wochen noch deutlich mehr Menschen, wenn er am 23. Februar sein Ziel erreichen will: den Einzug in den Bundestag. Die CDU hat ihn für Wahlkreis 107 aufgestellt. Das ist: Neuss, Grevenbroich, Dormagen und Rommerskirchen. Das ist auch – der alte Wahlkreis von Hermann Gröhe, Bundestags-Urgestein, im Parlament seit 30 Jahren. Das Direktmandat holte Gröhe für die CDU zuletzt fünfmal in Folge. Jetzt tritt er nicht mehr an. Sassenrath soll ihn beerben. Die Hoffnungen sind groß in der Partei.
Und Sassenrath hängt sich rein. Haustürwahlkampf, Infostand auf dem Markt, CDU-Stammtisch. Feierabend ist meist erst gegen zehn. Ein Büro, eine Assistenz hat er nicht, eine Wohnung in Neuss aktuell auch noch nicht. Wahlkampfzentrale ist Sassenraths altes Kinderzimmer im Haus seiner Eltern.
Wer also ist der Mann mit dem Zweitagebart, dessen Gesicht auf Wahlplakaten gerade überall in der Stadt zu sehen ist?
Carl-Philipp Sassenrath kam
am Rosenmontag 1990 zur Welt
Ein paar Eckdaten: Vater erfolgreicher Anwalt, Mutter Musikerin (Oboe). Geboren Rosenmontag 1990, Neusser Innenstadt-Kindheit, Quirinus-Gymnasium. Nach einem Schüleraustausch in England hängengeblieben und dort den Abschluss gemacht. Hockey-Bundesliga gespielt. Aktiv bei der Schützenlust. Jura studiert. Und dann – keine lukrative Anwaltslaufbahn, sondern als Beamter in den Staatsdienst. „Eine Entscheidung aus Überzeugung, sich in den Dienst an der Allgemeinheit zu stellen“, sagt Sassenrath darüber heute.
Er landet im Bundeswirtschaftsministerium unter Peter Altmaier, als Referent für KI- und Datenpolitik. Danach, mitten in der Corona-Zeit, wechselt er ins Gesundheitsministerium und schließlich als Berater zur CDU/CSU-Fraktion. Seine Themen: Wirtschaft, Klima und Energie, Tourismus und Mittelstand. Mit dem Berliner Politgeschäft kennt sich Sassenrath aus; seinen Standpunkt zu vertreten – auch vehement, wenn es sein muss –, das hat er im Studium erkennbar gelernt. Nur selber Politiker sein, Menschen mitnehmen, einen Wahlkampf führen: Das ist neu für ihn.
Nun kann man in diesen Tagen nicht über CDU-Leute schreiben, ohne auf das Thema der vergangenen Woche einzugehen: Den Asyl-Vorstoß, für den die Union im Bundestag gemeinsam mit der AfD abstimmte.
Fragt man Sassenrath danach, spricht er von einer „emotionalen Woche“, von einer Abstimmung über „Positionen, die den eigenen Überzeugungen entsprechen“: Die Migration müsse begrenzt werden. „Es gibt auf den ersten Blick einen Widerspruch zwischen ‚klar für die Ziele der Union einstehen’ und ,nicht mit der AfD zusammenarbeiten‘“, sagt er. „Die Auflösung findet sich darin, dass wir für eine starke Mitte werben – wir wollen eine CDU-Mehrheit, um den Politikwechsel durchzusetzen.“
Und seine Pläne, wenn er tatsächlich selbst in den Bundestag einzieht? „Dann will ich Kümmerer sein für unsere Anliegen vor Ort und in Berlin möglichst viel und schnell umsetzen“, sagt er. Viele der Themen, die in Berlin verhandelt würden, hätten große Relevanz für den Rhein-Kreis: von der Migrations- über die Arbeitsmarktpolitik bis zur Energiewende. Letztere sei ein Kernthema, gerade wegen der energieintensiven Betriebe in der Region, sagt er: „Hier wird sich entscheiden, ob die Energiepolitik aus Berlin funktioniert, für die Industrie und für die Verbraucher.“
Dabei ist Sassenrath Klimaschutz wichtig. „Jeder junge Mensch ist klimabewegt“, sagt er. In der CDU fühle er sich trotzdem richtig aufgehoben, denn: „Ohne Erhalt des Wohlstands, ohne bürgerliche Unterstützung für das Klimaprojekt, wird es scheitern.“
Zurück im Zeughaus: Am Ende taucht der Ministerpräsident doch früher auf als befürchtet, Sassenraths kleine Kandidaten-Vorband ist erlöst. Techno-Getöse, Applaus, Hendrik Wüst betritt die Bühne. In seiner Rede: Streicheleinheiten für die Kandidaten, klar, Wüst soll Schützenhilfe im Wahlkampf leisten, deshalb ist er hier. Dass sich Sassenrath mit KI auskennt, hebt der Ministerpräsident hervor, und seine Erfahrung in Berlin. „Wir schicken ihn nicht in dieses Rennen, weil er jung ist“, sagt Wüst. „Sondern weil er gut ist.“
Am Ende gibt es ein Erinnerungsfoto mit dem Regierungschef. Breites Lächeln für die Kameras. War dann doch noch ein guter Abend.