Grevenbroich: Natur - Orchideenparadies in Garzweiler
Ein Arbeitskreis kümmert sich um die wildwachsenden Pflanzen. Das ehemalige Tagebaugelände bietet optimale biologische Voraussetzungen.
Grevenbroich. Noch 50 Meter bis zur Orchidee. Das behauptet das Navigationsgerät für Fußgänger jedenfalls, das Hans-Josef Bolzek wie eine Wünschelrute vor sich streckt. Zarte Orchideenpflänzchen - hier in Frimmersdorf? Im Hintergrund qualmen die Schlote von RWE Power, direkt neben der Hauptstraße führt ein Sandweg durch die karge Landschaft aus kaum zwei Meter hohen Bäumen ohne Blätter.
Das GPS-Gerät piept. Bolzek, Kreisbeauftragter des Arbeitskreises Heimische Orchideen (AHO), biegt vom Sandweg ab. Mitten im Gestrüpp findet er die grünen, länglichen Blätter. Noch sind die unscheinbaren Austriebe von Laub und Moos bedeckt, doch im Mai werden sie zu prächtigen Blumen heranwachsen. Zehn Orchideenarten haben Bolzek und die anderen elf Mitglieder des AHO aufgespürt, jede einzelne Pflanze gezählt und bis ins Detail karthographiert. Der Standort wird per GPS erfasst, damit die Orchideen im folgenden Jahr wiedergefunden werden. "Eine elfte Sorte haben wir gerade entdeckt. Um ganz sicher zu sein, müssen wir aber warten bis sie blüht", sagt der Grevenbroicher.
Einst wurde hier auf der Königshovener Höhe die Erde aus den Tagebauschächten aufgehäuft. Seit den 70er Jahren wird der Boden rekultiviert, also mit Eichen und Buchen aufgeforstet. "Der Boden ist auf den ehemaligen Garzweiler-Gebieten besonders mager, also nährstoffarm", erklärt Ulf Dvorschak von der Forschungsstelle Rekultivierung der RWE Power. Optimale Bedingungen etwa für die Orchideenart Bienenragwurz und den "Klappertopf", eine Rasenart, die als ausgestorben galt. "Hier bilden sich gerade erst neue Lebensgemeinschaften", sagt Dvorschak. Das findet auch Bolzek spannend: "Die Landschaft entwickelt sich noch, ständig kommen neue Arten hinzu oder gehen wieder."
Die wildwachsenden Orchideen haben sich in Frimmersdorf von selbst angesiedelt. Der AHO passt auf, dass der Boden um die Blumen nicht verkrautet, die Bäume zu viel Licht stehlen oder Spaziergänger die Orchideen pflücken. "Der Spatentourismus greift um sich", sagt Bolzek. Zwar bietet die AHO manchmal Exkursionen an, doch die genauen Standorte der Orchideen wollen sie lieber nicht verraten.
Der 62-Jährige ist Elektronikentwickler im Ruhestand. Seine Leidenschaft für Orchideen wurde bei einer Wanderung durch die Alpen erweckt, als er plötzlich inmitten einer Wiese aus Frauenschuhen stand. "Das war ein Erlebnis", sagt er. Jetzt hat er seine geliebten Pflanzen direkt vor der Haustür. "Ich lebe mitten in einem Orchideenparadies."