Kaarst: „Krankenhaus und Neurologe fehlen noch“
Fünf Jahre nach Vereinsgründung des Ärztenetz wurde der Schulterschluss erneuert.
Kaarst. Im Vorfeld diskutierten die Mitglieder noch, ob es Pflicht sei, zur Jubiläumsfeier einen Schlips zu tragen. Den weißen Kittel hatten jedenfalls alle in ihrer Praxis gelassen. Ob mit oder ohne Krawatte: Das Treffen zum fünfjährigen Bestehen des Ärztenetzwerks war eine lockere Begegnung im Rathaus-Atrium.
Vor fünf Jahren waren die Gründungsmitglieder ausschließlich Kaarster Ärzte und Psychologen. Damals war das Netzwerk einmalig in Nordrhein-Westfalen. Inzwischen sind auch lokale Anbieter von Gesundheitsleistungen und Zahnärzte im Verein vertreten, dazu auch drei Ärzte aus Korschenbroich.
Somit gehören zurzeit 38 Kollegen dem Ärztenetzwerk an. "Die Euphorie vom Anfang war allerdings schnell verflogen", sagt der Erste Vorsitzende Dr. Winfried Kluth. Die raue Wirklichkeit mit Gebührenordnungen und zusätzlicher Bürokratie habe die Mitglieder schnell eingeholt. Deshalb müsse nach Ansicht des Allgemeinmediziners als größter Erfolg gefeiert werden, dass das Netzwerk noch besteht.
In den vergangenen beiden Jahren hat sich das Ärztenetz Kaarst aktiv an Demonstrationen gegen die Gesundheitsreform beteiligt. Beispielhaft war die Aktion "Patientenversorgung im Zelt" auf dem Rathausplatz im Frühling 2007. "Wir können diese Proteste als moralischen Sieg empfinden: Das gegenwärtige Bild unseres Gesundheitswesens zeigt, dass alles noch schlimmer geworden ist, als wir es damals befürchtet haben", so Kluth.
Die Arztpraxen stehen immer mehr in Konkurrenz zu medizinischen Versorgungszentren, die oft an private Krankenhäuser angeschlossen sind. "Irgendwann diktieren sie die Preise", klagt Jürgen Raida, zweiter Vorsitzender des Ärztenetzes und ergänzt: "Die Banken trauen dem öffentlich finanzierten Gesundheitssystem nicht mehr. Deshalb müssen viele Praxen schließen, weil kein Nachfolger gefunden wird."
Bisher sieht der Internist die medizinische Versorgung in Kaarst gesichert. Neben einem Krankenhaus fehle lediglich ein Neurologe in der Stadt.
In Zukunft möchte das Ärztenetz Kaarst Fortbildungen für ihre Mitglieder wie für Bürger anbeiten und neue Qualitätsstandards erarbeiten. Außerdem zeichnet sich eine neue Gemeinschaft im lokalen Gesundheitsbereich ab.
"Das Tauziehen um den Bau eines Ärzte- oder Gesundheitshauses in der Vorster Ortsmitte wurde zwar verloren, hat aber zu einem neuen Schulterschluss unter Ärzten und weiteren Dienstleistern geführt", sagt Dr. Winfried Kluth. Das Ergebnis könne eine Interessengemeinschaft sein. Die Feier zum fünften Geburtstag des Ärztenetzes Kaarst könne der Start für dieses neue Kollektiv sein.