Netzwerk klärt über den IS auf

„SINUS“ will verhindern, dass auf Kinder und Jugendliche die IS-Propaganda wirkt.

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Holzheim. Der vierminütige Film kommt daher wie der Trailer eines Action-Films. Aber hier geht es nicht um „Stirb langsam“ oder „James Bond“. Statt Bruce Willis oder Daniel Craig werden hier Abu Bakr al-Baghdadi, seine Kämpfer und sein Kalifat inszeniert. Es ist ein Propaganda-Video des selbsternannten Islamischen Staat (IS). Es zeigt mit modernen Grafiken, spannungsgeladener Musik und schnellem Schnitt die krude Weltsicht und kitschige Kriegs-Romantik der IS-Terroristen und soll Jugendliche für den militanten Islamismus begeistern.

Zur Warnung und Aufklärung zeigte Gordon Jensen den Film jetzt im Medienzentrum des Rhein-Kreis Neuss in Holzheim. Jensen ist Islamwissenschaftler und Referent in der Abteilung Verfassungsschutz des NRW-Innenministeriums. Auf Einladung des Neusser Netzwerks „Sicher im Netz unterwegs“ (SINUS) gab er einen Einblick in die Verbreitungswege des Salafismus in Nordrhein-Westfalen. Noch vor vier Jahren gab es laut Verfassungsschutz etwa 500 Salafisten in NRW. Inzwischen sind es 2850, wovon 600 als gewaltbereit eingeschätzt werden. Der Verfassungsschutz beobachte die Szene über offene Quellen und mit nachrichtendienstlichen Mitteln, sagt Jensen. Im Fokus stehen dabei unter anderem 65 Syrien-Rückkehrer.

„Salafismus in NRW ist jung, deutsch und hat einen Migrationshintergrund“, sagt Jensen. Meist leben die nun zum IS hingezogenen in dritter Generation in Deutschland. Die Moschee haben sie meist nie besucht, haben Probleme in ihrem Alltag in Deutschland, fühlen sich nicht integriert. „Salafisten sind aus deren Sicht die besseren Sozialarbeiter“, sagt Jensen. Neben den Videos im Internet überzeuge vielfach die direkte Ansprache.

Problematisch daran: Salafisten missinterpretieren den Islam als politische Agenda. Ihnen schwebt dabei ein Leben in einer frühislamischen Gemeinschaft des 7. Jahrhunderts vor. Darin unterscheidet sich der Salafismus grundlegend von jenem Islam, der in Moscheen gelehrt und gelebt wird. Jensen erklärt das alles, zeigt die Köpfe der Szene und wie sie den Salafismus zur Jugendkultur machen, mit eigener Musik, eigener Kleidung und eigenen Wert-Vorstellungen. „Irgendwann leben die in ihrer eigenen Welt.“

Dem versucht das Land NRW entgegen zu wirken. Mit Aussteigerprogrammen und vor allem einem Präventionsprogramm. „Wegweiser“ heißt das. Inzwischen gibt es 13 Standorte in NRW. Eltern, Mitschüler oder Arbeitskollegen, die eine Radikalisierung bei einem Bekannten vermuten, können dort hinkommen und finden Hilfe. Eine solche Beratungsstelle gibt es in Neuss noch nicht. Neusser können aber die Stellen in Düsseldorf, Köln und Mönchengladbach aufsuchen oder die zentrale Hotline unter 0211/8712728 anrufen.