Neuss: Die sozialen Dienstleister
Seit fünf Jahren gibt es die Firma Mikas. Die Sozialpädagogen übernehmen Aufgaben der städtischen Jugendämter.
Neuss. Michael Karrenberg und Stefan Lesse führen ein kleines mittelständisches Unternehmen mit elf Angestellten. Dabei handelt es sich aber nicht um eine Schreinerei, eine Werbeagentur oder einen Autohandel. Karrenberg und Lesse sind soziale Dienstleister. Seit fünf Jahren betreiben die beiden Sozialpädagogen die Firma Mikas - der Name steht für "Mobile Individuelle Konzepte Ambulanter Sozialpädagogik". Zu ihren Kunden gehören verschiedene Jugendämter im Rhein-Kreis Neuss sowie der weiteren Umgebung.
"Wir sind Dienstleister für die Jugendämter", erklärt Michael Karrenberg das Konzept. Mikas übernimmt Aufgaben, die personell vom Allgemeinen Sozialen Dienst (ASD) der Jugendämter nicht bewältigt werden können und deshalb ausgegliedert werden. "Im Prinzip sind wir nichts anderes als ein freier Träger wie Caritas oder Diakonie, die diese Aufgaben auch übernehmen", ergänzt Stefan Lesse. "Mit dem Unterschied, dass wir nicht gemeinnützig arbeiten, sondern unternehmerisch tätig sind."
Das Spektrum von Mikas reicht von der Familienhilfe über Einzelbetreuung von Jugendlichen bis zum betreuten Wohnen. "Aber auch Streetwork oder Schulsozialarbeit gehören zu unseren Fachgebieten", sagt Sozialpädagoge Karrenberg. An ihre Aufträge kommen die Neusser direkt über die Jugendämter. "Bei uns wird angefragt, ob wir zum Beispiel acht Stunden in der Woche eine Familie betreuen können. Dann machen wir ein Angebot und im Idealfall bekommen wir den Auftrag", beschreibt der 39-jährige Karrenberg.
Mikas steht in Konkurrenz zu den deutlich größeren freien Trägern, die diesen Sektor seit geschätzten 15 Jahren immer stärker besetzt haben. "Als Privatunternehmer gehörten wir vor fünf Jahren zu den Pionieren", erinnert sich Lesse. Und auch heute gebe es nicht viele Sozialpädagogen, die den Schritt in die Selbstständigkeit gewagt haben.
Die beiden Unternehmer, die früher zusammen bei einem großen Träger gearbeitet haben, sehen sich gegenüber der Konkurrenz im Vorteil. "Zum Beispiel arbeiten wir in unserer Verwaltung viel schlanker als ein Träger. Dadurch können wir flexibler auf Anfragen reagieren", so der 42-Jährige. Häufig könne man innerhalb weniger Tage eine Hilfe in einer Familie realisieren. Und eine schlanke Verwaltung senke auch die Kosten. "Mit unserem Stundensatz von 41,70 Euro für einen Sozialpädagogen liegen wir unter den Sätzen vieler freier Träger", ergänzt Michael Karrenberg.
Diese Vorteile und eine Steigerung der Fallzahlen bei den Jugendämtern haben aus seiner Sicht zum Wachstum von Mikas geführt: "Wir haben am 1.April 2003 zu zweit mit ein paar Fällen angefangen. Heute betreuen wir mit elf Sozialpädagogen plus Honorarkräften und Verwaltungsmitarbeitern jährlich durchweg etwa 100 Klienten."
Die höheren Fallzahlen hingen mit einer gesellschaftlichen Veränderung der vergangenen Jahre zusammen. "Geringere Bildung, schwacher Arbeitsmarkt, Perspektivlosigkeit - die Missstände haben zugenommen", sagt Stefan Lesse auch mit Blick auf die Vorfälle mit toten und misshandelten Kindern der vergangenen Monate in Deutschland. "Vor allem Ende 2007 haben wir dadurch eine Zunahme der Aufträge gemerkt. Die Jugendämter haben mehr Druck und sind vorsichtiger geworden."
Die Kunst der beiden Pädagogen liegt im Spagat zwischen unternehmerischer und sozialer Komponente. "Ganz klar, die Hilfe steht immer im Vordergrund. Wir arbeiten hier mit Menschen", verdeutlicht Michael Karrenberg. "Aber, wir verdienen hier auch unseren Lebensunterhalt und dem Finanzamt ist egal, ob wir in einem sozialen Berufsfeld tätig sind." Weil Karrenberg vor dem Sozialpädagogik-Studium eine Banklehre und auch noch vier Semester BWL studiert hat, "funktioniert dieser Spagat sehr gut".
Den Schritt zum Unternehmer können Karrenberg und Lesse allen Sozialpädagogen empfehlen. "Man kann seine Ideen und auch innovative Therapiemethoden besser verwirklichen als im Amt oder beim Träger", sagt Stefan Lesse. Und mit Blick auf die Zukunft fügt sein Partner hinzu: "Der Markt für Private befindet sich im Wachstum. Neuanfänger können sich gut etablieren - vorausgesetzt die Qualität stimmt."