Neuss: Ein sehr realer, frecher Traum

Theaterakademie August Everding eröffnet das 19.Shakespeare-Festival.

Neuss. Welch ein fulminanter Auftakt zum 19.Shakespeare-Festival! Die jungen Schauspieler der Bayerischen Theaterakademie August Everding zeigten auf der Bühne des Globe einen Sommernachtstraum, der für das Theaterfest das Motto geben dürfte: frech, manchmal derb, turbulent und einfallsreich, voller Spielfreude.

Ein wenig Zeit brauchten die Studenten des Abschlussjahrgangs, um Fühlung aufzunehmen mit dem sehr speziellen Theaterraum, mit dem Publikum, das nicht nur gefährlich nahe sitzt, sondern zum Teil auch hoch droben. Doch dann nahm die Inszenierung Fahrt auf, und alle sieben Ensemblemitglieder, die 16 Rollen zu bewältigen hatten, steigerten sich in die Geschichten um Liebe und Eifersucht, Traum und Wirklichkeit, bösen Schein und Verwirrung der Gefühle.

Immer wieder dominierten die Paare, ob sie nun vor Liebe oder Hass getrieben sind, ob sie miteinander spielen oder Intrigen spinnen, sich im Leid verlieren oder oder sich schlussendlich doch in die Arme sinken. Oberon und Titania, Lysander und Hermia, Oberon und Puck, Demetrios und Helena. Und so weiter. Den Schauspielern aus München gelang es brillant, der verworrenen Stoff stringent zu erzählen, und die Inszenierung von Jochen Schölch, in München bereits im vergangenen Sommer bejubelt, überraschte mit skurrilen Einfällen und Pointensetzung. So etwa, wenn der geradezu liebenswürdige Puck dem Zettel (großartig: Frederic Linkemann) seinen Eselskopf beschert, indem er ihm, soweit eben gymnastisch die Füße rechts und links vom Kopf platziert. Die Titania ("ein ewger Sommer zieret meine Lande"), verblendet-liebestrunken, geriert sich reeperbahn-würdig in Strapsen, die beiden Zauber-Opfer Helena und Hermia tragen, von Feenfiguren in Zeitlupe getragen, ihren Zickenkrieg in einem wunderbaren Kampf-Tanz aus. Damit übertreffen sie noch die ebenfalls capoeira-würdig einstudierte Prügelszene der beiden Nebenbuhler.

Zu ganz großer Form aber läuft das junge Ensemble auf, wenn die Schauspieltruppe der Athener Handwerker die Bühne betritt. Szenenapplaus und Lachsalven aus dem Publikum zeigten: Diese Inszenierung war für das Globe wie gemacht. Und umgekehrt. Durchweg alle Schauspieler (Franziska Herrmann, Sonja Isemer, Frederic Linkemann, Christoph Müller-Leonhard, Dimitrij Schaad, Julia Sontag, Isa Weiß) trugen dazu bei, diesen Sommernachtstraum zu einem großen Vergnügen zu machen. Ganz am Original bittet Puck das Publikum zum Schluss, bei Nichtgefallen das Ganze als einen Traum zu betrachten - sonst aber zu klatschen. Kein Traum. Shakespeare par excellence!