Neuss: Gesichter zur Geschichte
Ein Buch mit den Bildern Neusser Juden aus dem alten Fotoatelier Kleu ist jetzt aufgelegt.
Neuss. Rund 200 Buchseiten erzählen ein Stück Neusser Stadtgeschichte. Das Stadtarchiv hat jetzt einen Katalog herausgegeben, der mit zahlreichen Bildern und Texten jüdische Mitbürger aus der Zeit zwischen 1935 und 1941 vorstellt. "Geschichte in Gesichtern" heißt das Werk, das auf eine Ausstellung des vergangenen Jahres zurückgreift.
Im Rahmen der Jüdischen Kulturtage im Rheinland zeigte das Stadtarchiv 2007 mit dem Institut für Jüdische Studien an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf die Portraits von Neusser Juden.
"Die Fotografie als historische Quelle ermöglicht einen ganz persönlichen Blick auf die Geschichte. Diese Fotos zeigen Gesichter von Menschen. Sie bringen dem Betrachter die Geschichten der im Dritten Reich deportierten Juden aus Neuss nahe", sagt Stadtarchivleiter Jens Metzdorf.
"Die Bilder sind nicht nur für die Stadt Neuss, sondern kulturgeschichtlich gesehen einzigartig und sehr bedeutend", sagt Stefan Rohrbacher, Professor für jüdische Studien an der Heine-Uni. Dabei wären sie fast unentdeckt geblieben. Jahrzehntelang lagen sie unbeachtet auf dem Dachboden des Neusser Fotoateliers Kleu.
Inhaber Heinrich Kleu und seine Nachfolger hatten zwischen 1903 und 1973 die Stadt und ihre Menschen abgelichtet und auf 30 000 tonnenschweren Glasplatten-Negativen sowie weiteren tausend Kunststoff-Negativen archiviert. Darunter waren auch zahlreiche Portraits von jüdischen Mitbürgern aus der Zeit vor 1945.
Der gebürtige Berliner Fotograf Wolfgang Bathe, der das Atelier vor mehr als 30 Jahren übernahm, hütete den historischen Schatz seiner Vorgänger viele weitere Jahre. 2005 übergab er die Negativ-Sammlung an das Stadtarchiv.
Zwei Jahre später folgte die Ausstellung, die viele Besucher begeisterte. Deshalb wurden die Bilder jetzt - passend zum 70. Jahrestag der Reichspogromnacht am 9. November - in einem Katalog verewigt und um informative Texte bereichert.
Das Buch soll, so sagen die Herausgeber, einerseits das deutsch-jüdische Leben in einer rheinischen Mittelstadt darstellen und gleichzeitig an die Schicksale der Neusser Juden erinnern.
Vorne auf dem Umschlag beispielsweise ist ein Bild von 1938, das die damals 21-jährige Lotte Josephs zeigt. Sie war eine von drei Töchtern von Gustav Josephs, dem damaligen Geschäftsführer des Modehauses Alsberg und Vorsteher der Synagogengemeinde Neuss. Lotte Josephs und ihre Familie wurden 1942 in Auschwitz ermordet. "Lotte und all die anderen im Buch portraitierten Neusser Juden werden zum anschaulichen Beispiel für unzählige Opfer von damals", sagt Metzdorf.