Neuss: Lesehalle als Beginn einer Erfolgsstory

Die Stadtbibliothek feiert 100-Jähriges. Die Ausleihzahlen steigen weiter an.

Neuss. Alles begann mit der "städtischen Bücher- und Lesehalle" im Kaufhaus am Markt. Seit Dezember 1907 konnten sich die Neusser Bürger dort in Bücher und Zeitungen vertiefen - selbstverständlich nur Erwachsene und auch nur Männer. Der Stadtrat hoffte nicht zuletzt, so die Begründung, dass "Mancher durch anregende Lektüre dem Wirtshause ferngehalten wird."

Am 13.Mai 1908 wurden die ersten Bücher ausgeliehen. 100 Jahre später ist die Stadtbibliothek am Neumarkt der größte Kulturbetrieb der Stadt. Längst ergänzen neue Medien das Angebot, nutzen Kinder und Jugendliche das Angebot in der Innenstadt. Im Mittelpunkt steht nach wie vor das Buch: 80Prozent des Umsatzes macht die Bibliothek mit der klassischen Buchausleihe, betont Alwin Müller-Jerina, der das Institut seit elf Jahren leitet.

Wechselhaft und von Rückschlägen begleitet ist die die Geschichte der Einrichtung, die zwölfmal umzug und viermal ihren Namen änderte. Wenig ist über die ersten Jahrzehnte bekannt, wurde doch im Zweiten Weltkrieg fast der komplette Bestand samt der Akten vernichtet: 1945 waren noch
100 Bände vorhanden. In den 60er Jahren setzte die Politik auf Zweigstellen.

Von Gnadental bis Weißenberg wurden sie eröffnet; der Etat blieb allerdings gleich, es gab kaum ein aktuelles Angebot, und viele Neusser wandten sich enttäuscht ab.

1987 dann begann die Neuentwicklung: Am Neumarkt eröffnete der Neubau, die Zweigstellen wurden nach und nach geschlossen. "Wir müssen einfach so gut sein, dass die Menschen auch zu uns fahren", sagt Alwin Müller-Jerina.

Und das tun sie. Ständig steigende Ausleihzahlen bestätigen die Arbeit im Haus am Neumarkt. 1,4 Millionen Medien wurden im vergangenen Jahr ausgeliehen, und längst ist die Stadtbibliothek auch als Veranstalter im Kulturleben der Stadt präsent. So lasen etwa beim Literarischen Sommer Autoren wie Christoph Peters oder Dieter Wellershoff.

Seit drei Monaten versucht sich die Stadtbibliothek auf dem schwierigen Terrain der digitalen Ausleihe: Der Nutzer lädt sich die Medien zuhause herunter. Drei Jahre gibt Müller-Jerina diesem Pilotprojekt, dann könne gewertet werden: Wir sind in den digitalen Markt eingestiegen, wir können auch wieder aussteigen."

Um die Zukunft der Stadtbibliothek wie um die Zukunft des Buches ist ihm jedenfalls nicht bange: "An die Klagen und Befürchtungen, das Internet würde das Buch überflüssig machen, habe ich nie geglaubt."