Immer wieder Einbrüche in Neuss-Selikum „Wir leben in Angst und Schrecken“
Neuss · Sie klettern Regenrinnen hoch, lassen sich von ausgefeilter Technik nicht abschrecken – und schlagen auch zu, wenn jemand zuhause ist. Immer wieder kommt es zu verheerenden Einbrüchen im Neusser Villenviertel von Selikum. Eine Familie berichtet Erschreckendes.
Es sind Videoaufnahmen, die den Betrachter schaudern lassen. Langsam und gekonnt klettert eine Person die Regenrinne eines Hauses hinauf. In einem weiteren Clip ist ein maskierter Mann zu sehen und zu hören, der offenbar Schmiere steht und Anweisungen gibt. Wenig später – was die Kameras nicht mehr einfangen – gelingt der Einbruch über ein Dachfenster. Im Haus wird ein Safe aufgebrochen, die Täter flüchten anschließend mit Geld und Schmuck. Die Szenen, die ein Hauseigentümer der Redaktion hat zukommen lassen, trugen sich am Abend des 5. Januar zu und stehen sinnbildlich für die Sorgen, die sich in der Selikumer Anwohnerschaft längst breitgemacht haben.
Eine Familie, die aus Sicherheitsgründen anonym bleiben möchte, hat nun Kontakt zur Redaktion aufgenommen, um Alarm zu schlagen. „Wir leben hier in Angst und Schrecken“, sagt der Familienvater. Nahezu jeder aus der Nachbarschaft hätte seine eigene Einbruchgeschichte zu erzählen, die sich im Verlaufe der vergangenen Jahre ereignete. Mittlerweile habe man sogar eine eigene Whatsapp-Gruppe gegründet, um sich untereinander auszutauschen und auch vorzuwarnen, wenn verdächtige Personen gesichtet werden. Schließlich registriere man regelmäßig dunkel gekleidete „Spaziergänger“, die sich verdächtig die einzelnen Häuser anschauen. Vor allem der Corneliusweg, Dürer- und Rubensstraße sollen verstärkt ins Visier der Einbrecher geraten sein.
Der Familienvater erinnert sich mit Schrecken an den jüngsten (von insgesamt zwei) Einbrüchen im eigenen Haus zurück, der sich im Juli vergangenen Jahres ereignete. „Da haben sie alle Etagen durchsucht und leer geräumt. Uhren, Taschen und Schmuck wurden gestohlen“, sagt er. Über eine Stunde seien die Täter im Haus gewesen, packten Reisetaschen mit Diebesgut voll und verschwanden. Die Briefträgerin bemerkte den Einbruch am nächsten Morgen. Die Familie wurde daraufhin im Urlaub benachrichtigt.
Sicherheitsmaßnahmen schrecken offenbar nicht ab
Das Problem: Die Täter lassen sich offensichtlich auch nicht von ausgeklügelten Sicherheitsmaßnahmen abschrecken – egal ob Spezial-Fenster, Videoüberwachung oder intensive Beleuchtung. Besonders schockierend: „Für manche Täter ist es wiederum leichter, Personen zu überwinden als Sicherheitssysteme, darum brechen sie ein, wenn jemand zuhause ist“, sagt der Anwohner. Ein Beispiel, bei dem glücklicherweise niemand zu Schaden gekommen ist: Am 2. März vergangenen Jahres hebelten Unbekannte um 21 Uhr an der Grünewaldstraße die Balkontür eines Einfamilienhauses auf und gelangten ins Innere. Zum Tatzeitpunkt befanden sich ein Hund und ein Bewohner in dem Haus. Der Hund hat offenbar so stark gebellt, dass die Täter sich nur für kurze Zeit im Haus aufhielten. Dennoch reichte die kurze Zeit aus, um unerkannt und mit Schmuck beladen zu entkommen. Auch eine sofort eingeleitete Fahndung blieb bislang erfolglos. Was ein weiterer Anrufer, der jetzt telefonisch Kontakt zur Redaktion aufnahm, als „Skandal“ bezeichnet: Trotz aller Vorfälle werde Selikum von der Polizei nicht als Einbruchschwerpunkt identifiziert.
Die Polizei im Rhein-Kreis Neuss bestätigt das auf Nachfrage und beruft sich auf Zahlen. „Im Jahr 2022 gab es im Bereich Selikum insgesamt 21 Wohnungseinbrüche, die polizeilich bekannt wurden. Im Jahr 2023 sowie im Jahr 2024 waren es lediglich jeweils zehn Einbrüche, insofern haben wir einen erfreulichen Rückgang von über 50 Prozent zu verzeichnen, der im letzten Jahr auf gleichbleibendem Niveau geblieben ist“, teilt Sprecherin Claudia Suthor mit. In einem aktuellen Fall in Selikum warte man noch auf Videomaterial, das durch den Geschädigten übersendet werden soll. „Ob es sich dann um brauchbares Material handelt, werden die Ermittlungen zeigen“, so Claudia Suthor.
Was die Anwohnerschaft am Zahlenargument der Polizei stört: Die Zahlen mögen im Vergleich mit anderen Stadtteilen gering wirken, allerdings ist Selikum ein sehr kleiner Stadtteil, die Einbruchdichte sei somit wesentlich höher als in anderen Gebieten.