Einschätzung von Ärzten Was ein alkoholfreier Januar bewirken kann
Neuss · Immer mehr Menschen verzichten im Januar auf Alkohol. Der „Dry January“ ist längst zum Trend geworden. Doch was bringt der kurzzeitige Verzicht wirklich? Ärzte aus Neuss klären über die Auswirkungen auf.
Aktionen und Gedenkveranstaltungen beschränken sich schon längst nicht mehr nur auf einen Tag, mittlerweile gibt es ganze Motto-Monate: egal ob für Fairtrade-Helden im Fairbruary, als Pride Month für die LGBTQ-Gemeinschaft im Juni oder als Gelegenheit im Oktober – beziehungsweise Stoptopber – mit dem Rauchen aufzuhören. Und auch nach den ganzen Weihnachtsfeiern und Silvesterpartys nutzen viele den Januar für einen gesunden Start ins neue Jahr. Im sogenannten „Dry January“ (trockener Januar) gilt: kein Alkohol und das einen ganzen Monat lang.
Der Trend erfreut sich immer größerer Beliebtheit, wie aus den Zahlen hervorgeht. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes hat der Konsum von Alkohol im Januar über die letzten Jahre spürbar abgenommen. Im vergangenen Jahr wurde knapp 50 Prozent weniger Alkohol gekauft als im Dezember 2023, wie aus Scannerdaten des Lebensmitteleinzelhandels hervorgeht. Und angesichts des hohen Alkoholkonsums in Deutschland, wo laut Bundesgesundheitsministerium jeder durchschnittlich 10,6 Liter Alkohol pro Jahr konsumiert, werben auch immer mehr Organisationen für den Verzicht.
Doch was bringt solch ein alkoholfreier Monat für die Gesundheit überhaupt? „Wissenschaftliche Erkenntnisse zeigen, dass Alkoholkonsum unabhängig von der Menge gesundheitsschädlich ist“, erklärt Jens Encke, Chefarzt der Klinik für Innere Medizin und Ärztlicher Direktor am Johanna-Etienne-Krankenhaus. Ihm zufolge kann ein bewusster Verzicht die Risiken für diverse Krankheiten erheblich verringern. Denn eine solche Enthaltsamkeit entlastet nicht nur die Leber, sie senkt auch den Blutdruck und verbessert die Herzgesundheit. Zudem kann das Krebsrisiko gesenkt werden, insbesondere für Krebserkrankungen der Leber, der weiblichen Brust und der Verdauungsorgane. Auch das Immunsystem und die Schlafqualität profitieren laut dem Experten von dieser Pause – unabhängig von den Mengen an Alkohol, die man zuvor konsumiert hat. Doch es gilt: Je länger die Abstinenz, desto größer die positiven Effekte.
Eine solche Alkohol-Pause bietet aber noch mehr Chancen, wie Tobias Heintges, Zentrumsdirektor für Innere Medizin Lukaskrankenhaus, erklärt: „Man sollte die Zeit nutzen, um zu hinterfragen, welchen Stellenwert der Alkohol im täglichen Leben hat.“ In der Leber-Sprechstunde, die der Hepatologe anbietet, höre er oft von Patienten, dass der Konsum mit einem Glas Wein oder ein paar Bier nach der Arbeit begonnen habe. „Doch eh man sich versieht, wird schnell eine Regelmäßigkeit daraus“, so der Experte. Dementsprechend empfiehlt er, im „Dry January“ das eigene Verlangen nach Alkohol kritisch zu hinterfragen.
Denn obwohl die Leber geringe Mengen Alkohol gut verzeihen könne, würden die Kalorien, die mit dem Alkohol aufgenommen werden, oft unterschätzt. Ein großes Problem, wie Heintges mit Blick auf die Leberschäden durch Übergewicht betont. „Wenn man schon mal dabei ist, seine Lebensgewohnheiten zu überprüfen, kann es also auch nicht schaden, über die Ernährung nachzudenken“, rät der Zentrumsdirektor. Er empfiehlt mediterrane Kost – frische Kost und ausreichend Ballaststoffe sowie wenig Kohlenhydrate – und einen Verzicht auf Zwischenmahlzeiten. Stattdessen sollte man am Tag zwei bis drei ausgewogene Mahlzeiten zu sich nehmen.
Um den Körper optimal während des „Dry January“ zu unterstützen, empfiehlt Encke außerdem eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr und regelmäßige Bewegung. Auch der Verzicht auf andere schädliche Gewohnheiten, wie Rauchen, könne unterstützend wirken. Wovon die Experten auf jeden Fall abraten, ist ein starker Alkoholkonsum im Anschluss. Ein Rückfall in alte Muster erhöhe das Risiko für Erkrankungen wie Leberzirrhose, Herzprobleme oder Krebs. „Besonders problematisch ist, wenn nach dem ‚Dry January’ sogar ein verstärkter Konsum auftritt. Dies würde den gesundheitlichen Nutzen des Verzichts vollständig aufheben“, so Encke.