Der Gerolsteiner-Schock

Dass nun auch Tim Klingers Teamkollege Bernhard Kohl gedopt haben soll, hat den Sprockhöveler Radprofi hart getroffen. Trotzdem möchte er gerne weiter Rennen fahren. Die Entscheidung fällt bald.

Sprockhövel. "Schumacher war der erste Schock, aber mit Bernhard Kohl, das hat mich noch ein Stück mehr getroffen." Für Tim Klinger, Sprockhövels Radsporthoffnung und seit zwei Jahren in Diensten des Teams Gerolsteiner, ist gestern noch einmal ein kleine Welt zusammengebrochen. Aus dem Radio erfuhr der 24-Jährige an seinem Trainings- und derzeitigen Wohnort in Emmendingen, dass sein Team als Reaktion auf die nachträglich positiven Dopingtests von Stefan Schumacher und jetzt auch noch des Tour-de-France-Dritten Kohl sofort den Rennbetrieb einstellt.

"Vielleicht ist es, weil ich es von Kohl noch weniger erwartet hätte. Schumacher war für mich ein bisschen unnahbar, da war die Distanz größer", versucht Klinger seine Gefühle in Worte zu fassen. Es ist ein bisschen, als ob ihm der Boden unter den Füßen weggezogen wird. Weniger weil Gerolsteiner gestern den sofortigen Abschied vom Rennsport bekanntgab.

Für die noch ausstehende Lombardeirundfahrt war Klinger nicht vorgesehen und das Gerolsteiner-Ende nach der Saison stand ohnehin fest. "Am schlimmsten ist, dass man immer gemeinsam auf andere gezeigt und andere verdächtigt hat und jetzt sind Leute aus dem eigenen Team dabei", sagt Klinger. Ehrenkodexe, die man unterschrieben hatte - für die Übeltäter das Papier nicht wert.

"Ich glaube immer noch, dass viele Fahrer sauber sind", sagt Tim Klinger ein bisschen trotzig. Dass so viele Fahrer überführt würden, könne ja auch den Ehrlichen eine neue Perspektive eröffnen. Ihm ist allerdings auch klar, dass sich die eigene vage Zukunftsperspektive im Radsport weiter verdüstert hat.

Dabei hatte er gerade jetzt die Hoffnung, nach der für ihn von Verletzungen geprägten Saison doch noch ein neues Team für 2009 zu finden. Bei den drei zum Trittico d’Autunno gehörenden Eintagesrennen in Italien von Donnerstag bis Sonntag war der Sprockhöveler beschwerdefrei geblieben.

Dass er seinen Kapitänen Davide Rebellin und Fabian Wegmann wertvolle Helferdienste leisten konnte, gab zusätzlich Selbstvertrauen. "Wenn man mich vor zwei Tagen gefragt hätte, hätte ich gesagt, klar klappt das für die nächste Saison. Jetzt muss ich abwarten. Die Entscheidung fällt aber innerhalb der nächsten zwei Wochen verrät Klinger. Gespräche gebe es mit einem ausländischen Team - nicht aus der absoluten Spitze. Mehr will er nicht verraten.

In Deutschland ist es ohnehin fast unmöglich geworden einen Fahrerplatz zufinden. Die Abwärtsspirale scheint nach dem Rückzug von Sponsoren und Teams aus der ersten und zweiten Kategorie sowie den Absagen weiterer Rundfahrten unaufhaltsam. Vielen gerade jungen Fahrer scheint die Zukunft geraubt.

Arztsohn Klinger ist zumindest sozial abgesichert, würde sich in Richtung Studium/Ausbildung orientieren, wenn es mit dem Radsport nichts mehr würde. Aber noch brennt er. Mit so einer Seuchensaison will er nicht aufhören. "Ich möchte zumindest einmal wissen, was möglich ist, wenn ich verletzungsfrei bleibe und optimal vorbereitet bin", erklärt er.

Ist man eigentlich sauer auf die ehemaligen Teamkollegen, die nun dazu beigetragen haben, dass die Uhr für den Profi-Radsport in Deutschland ablaufen könnte? Klinger: "Klar, ich glaube nicht, dass ich mit Schumacher oder Kohl noch einmal ein Wort wechseln würde."