Veranstaltung „Just call it music“: Film und Gespräch über die freie Jazzszene von Wuppertal
Wuppertal · Der Film skizziert den musikalischen Weg von Dietrich Rauschtenberger.
Am Schluss des Abends stellte sich heraus, dass eine Begriffsbestimmung gar nicht so einfach ist. Ist es Free Jazz oder welcher Begriff passt zu der Musik, die bei der Veranstaltung cine:ort-Nachmittag, einem Mix aus Film, Gespräch und Konzert, im Ort zu hören war? Es ist immer ein Stück lebendiger Wuppertaler Musikgeschichte, die dann auflebt, Sounds like Whoopataal – damals und heute.
Dietrich Rauschtenberger (Schlagzeug und Saxofon), Eugen Egner (Gitarre) und Klaus Harms (Kontrabass) gestalteten mit „Free Jazz 60 Years after“ den musikalischen Part. „Just call it music“ ist der Titel des rund 30-minütigen Films, der den musikalischen Weg von Rauschtenberger ab den 1950er-Jahren vom Schlager über Tanzmusik und Dixiland zum Free Jazz und darüber hinaus skizziert. Er ist eines der „Urgesteine“ der Wuppertaler (Free-)Jazz-Szene, spielte mit Peter Brötzmann und Peter Kowald zusammen. Produziert von „deuffert & plischke“ zeigt der Film mit zeitgenössischen Bildern und Filmfragmenten ein Porträt des Künstlers, der viel von sich, seiner Musik und seinem Lebensweg erzählt, emotional und auch humorvoll.
Rauschtenberger erinnert sich an erste kindliche Begegnungen mit der Musik, berichtete von frühen musikalischen Anfängen in der Tanz- und Dixielandmusik. Erzählt von ihm selbst, gibt der Film einen kleinen Eindruck über die Entstehung des Free Jazz zwischen Schwelm und Wuppertal. Die Begegnung mit Brötzmann und seiner Art von Musik war für ihn prägend. „1960 wussten wir vom Free Jazz noch nichts“, erinnert er sich. Der Begriff kam erst 1961 mit dem Album „Free Jazz: A Collective Improvisation“ von Ornette Coleman auf, nach dem letztlich ein ganzes Genre des Jazz benannt wurde. Rauschtenberger nahm die Zuschauer mit auf seinem musikalischen Weg. „Wir spielten, was uns so einfiel und was wir konnten, denn Jazz zu spielen ist gar nicht so einfach.“
Mit ihrer Musik wollten sie provozieren. „Wir hatten genug von Harmonie und Takt, waren neugierig auf Neues und gehörten zu den ersten, die bewusst die Regeln brachen. Wir wollten zeigen, dass der Free Jazz genau so schlimm ist, wie die Nazis immer behauptet haben.“ Doch während Brötzmann an die Grenzen ging und versuchte, von dieser Art Musik zu leben, gedachte Rauschtenberger seiner „Familie und drei Kinder“, erklärt er schmunzelnd und ergänzt: „Wenn man damals von der Musik leben wollte, musste man Tanzmusik machen.“
Neugierig auf Neues wurden bewusst die Regeln gebrochen
An der Gesprächsrunde nahmen Thomas Plischke, Regisseur des Films, Jazz-Spezialist, Kenner und Zeitzeuge E. Dietrich Fränzel und Kulturjournalistin Anne-Kathrin Reif teil. „Man spielt am besten das, was man kann. Brötzmann und ich haben Free Jazz gemacht, weil wir den richtigen Jazz nicht konnten. Bei Kowald bin ich mir da nicht so sicher“, so Rauschtenberger. Für Fränzel war der Jazz der Sound des 20. Jahrhunderts. Ihn beeindruckte damals die Authentizität der Musik und ihre existenzielle Dimension. Den Free Jazz zu definieren ist komplex, stellte sich im Gespräch heraus. „Man braucht eine Wahrheit und man muss was sagen können“, so eine Zuhörerin, und Rauschtenberger verwies auf den Filmtitel „Just call it music“.
Mitspieler Klaus Harms erklärte, dass man beim Nachspielen von Musik immer auf den Gedanken eines anderen wandelt. Für ihn ist Musik intuitiv, die aus dem Augenblick entsteht. Wie auch immer man die Musik von Rauschtenberger, Egner und Harms bezeichnen will, sie ist gut.