"No. 10 Kultursalon" Im Kultursalon geht es lyrisch weiter
Nicht, dass Wichlinghausen ein Quartier ohne Kultur wäre - kaum ein Einwohner dort würde das (trotz manchen Vorurteils) vermutlich so sehen. Doch Theater-Solo oder Denker-Vortrag im Wohnzimmer? Diese Situation bietet der „No.
10 Kultursalon“, und das wäre wohl überall ungewöhnlich. In der Nornenstraße 10 gibt es stets Neues wie auch Konstanten.
Den Salon hatte das Paar Felicitas Miller und Herbert Gerstberger im Jahr 2019 in ihrem Haus gegründet. Miller ist diesen April an einer schweren Krankheit gestorben, ihre letzte Zeit verlebte sie daheim. Beim Besuch nun finden sich ihre Spuren auch für den, der erst selten zu Gast war.
Prägend im Raum wirkt nach wie vor außerdem die Fläche am Fenster, zwar am Rand des heimeligen Wohnraums, doch in puncto „Salon“ klar das Zentrum: Im Grunde formt sie sich nur durch locker im Rund platzierte Sessel, doch sie bilden alles andere als bloß einen Stuhlkreis - sondern die Bühne.
Neben ihren Brotberufen waren beide schon vor „Salon“-Zeiten immer wieder künstlerisch aktiv gewesen. Gerstberger, der zeitweise mit einer Tätigkeit als „freier Clown“ geliebäugelt hatte, entdeckte Franz Kafkas „Bericht für eine Akademie“ für sich, in dem ein Affe als Mensch auftritt, und entwickelte daraus ein Solo-Stück, das er in der Nornenstraße und anderswo bis heute aufführt - bei Interesse auch privat.
Hier liegt ein Verbindungspunkt zu Andreas Steffens, dem eingangs erwähnten Denker: Der Philosoph ist dem Haus von Anfang an eng verbunden und begann hier schon 2019 seine philosophische Reihe „Zeit zu denken“. Zusammen mit ihm gestaltete Gerstberger nun einen ungewöhnlichen Doppel-Abend mit Spiel und Vortrag unter dem Titel „Nur ein anderes Tier? - Kafkas Menschenkunde“. Über die Bühne ging er diesen September in der Elberfelder Citykirche, kurz danach gab es im Kultursalon zum selben Thema ein Gespräch.
Der Salon als geselliger Treffpunkt für Kunst und Geistesleben
Es hat wohl tatsächlich etwas von jenen literarischen Salons, wie man sie vom 19. Jahrhundert kennt: Zum Teil der gesellige Treffpunkt eines vertrauten Kreises aus Kunst und Geistesleben, ist die Nornenstraße 10 freilich für jedermann offen und alles andere als exklusiv. Im Gegenteil: Miller und Gerstberger hatten schon die bunt gemischte Nachbarschaft zu Lesungen versammelt und suchten ganz gezielt den Kontakt.
Bei aller freundlichen Bescheidenheit ist der „Salon“ vernetzt und in der Szene bekannt. Das hat wohl nicht zuletzt ein Treffen zum Tode Felicitas Millers gespiegelt: Gut gefüllt war laut Gerstberger der Raum des „Insel“-Vereins in der Wiesenstraße, und zur Trauer kam in verschiedenen Darbietungen durchaus auch Leichtigkeit.
Zu den schon vertrauten Stamm-Akteuren des „Kultursalons“ wiederum gehören Autoren rund um das „Wuppertaler Literaturhaus“. Dessen Vorsitzender, Matthias Rürup, hat in der Nornenstraße schon gelesen. Und Thorsten Krämer, auch eng mit dem Kulturort „Loch“ in Elberfeld verbunden, hat im Wichlinghauser „Salon“ vor Kurzem eine neue Reihe begründet, „Dichtung vom Blatt“. Einmal hat dort die Lyrikerin Sigune Schnabel gelesen und dazu zuweilen Harfe gespielt. Am gestrigen Donnerstag stand Reihen-Initiator Krämer selbst mit eigener Dichtung auf dem Programm, zusammen mit dem Musiker Jan Rejek.
In diesem Jahr geht es in der Nornenstraße mit der Lyrik weiter. Vom Wichlinghauser Markt sind es zu Fuß keine zehn Minuten, um einen Kulturort mit Anspruch und Herz zu erreichen, wie es im Tal kaum einen ähnlichen gibt.
Aktuelles zum „No. 10 Kultursalon“ nennt stets der Newsletter, der via H_Gerstberger@web.de bestellt werden kann.