WZ TV: Alltag auf der ungeliebten JVA-Baustelle

Die Grundmauern der neuen JVA stehen. Auf der Baustelle herrscht ein Alltag zwischen Protest, Vandalismus und Hightech.

Erbschlö. Fünf meterhohe Kräne markieren den Weg zur Baustelle. Zwölf Fußballfelder ist sie groß. Umgeben von 1,2 Kilometern Gefängnismauer. Seit Ende August wird auf Erbschlö die neue Justizvollzugsanstalt gebaut. Noch länger laufen zwei Klagen von Anwohnern dagegen. Dennoch scheint sich an Wuppertals größter Baustelle eine merkwürdige Routine eingeschlichen zu haben.

"Das Verhältnis wird immer besser", sagt Hans-Gerd Böhme vom Liegenschaftsbetrieb NRW, dem Bauherren des Großprojekts. Am Baustellenzaun hängt ein Zettel. "Möblierte Zimmer günstig zu vermieten", schreibt ein Anwohner und das ist nicht etwa ein ironischer Kommentar darauf, dass der neue Knast ungewöhnlich viele Einzelzellen hat. Das ist ein ehrlich gemeintes Angebot an weit gereiste Bauarbeiter.

Und doch: Eine JVA baut man nicht einfach so. Hans-Gerd Böhme hat die Standortsuche von Anfang an begleitet und versichert immer wieder, dass zig andere Orte im Gespräch waren, sich aber keiner besser eigne als dieser. Mehr als ein Dutzend Gutachten habe es gegeben. Allein ein Jahr lang sei das Ökosystem analysiert worden. Er spricht von Schutzmaßnahmen für Bodenbrüter, ein Revier für Kammmolche und Fledermaus-freundliches Flutlicht. Er ist es gewohnt, sich zu verteidigen. Er versichert: "Wir nehmen hier niemandem etwas weg." Das ökologische Gleichgewicht ist genauso Dauerthema wie der Vandalismus. Mehrere zehntausend Euro Schaden sind dem Land NRW bislang entstanden, weil Unbekannte immer wieder die Weidezäune der Ausgleichflächen auf dem Scharpenacken zerstören.

Die JVA in Ronsdorf soll neben dem in Ratingen das Vorzeigegefängnis in NRW werden. Es entsteht nach jenen neuen Richtlinien, die nach dem Foltermord in der JVA Siegburg beschlossen wurden: mehr Einzelzellen, Werkstätten mit Ausbildungsbetrieb, ein Begegnungszentrum. Zu komfortabel? "Keineswegs", sagt Architekt Gunnar Hertzfeldt, "die Zellen sind acht bis zehn Quadratmeter groß und äußerst karg." Im Mai 2011 soll das Jugendgefängnis einzugsfertig sein. Die Arbeiten liegen im Zeitplan. Beim Endausbau sind bis zu 600 Arbeiter vor Ort. Eine Belastungsprobe für die Anwohner.

Doch auch das ist Teil des Alltags auf der Großbaustelle. Rund um die Uhr wird der Lärmpegel gemessen. Es gibt eine Hotline für Anwohner, einige bekamen gratis-Gutscheine für die Autowaschanlage. Die Gefängnismauer vor ihren Fenstern soll noch begrünt werden. Christoph Janthur, Anwohner und Kläger, hat schon mehrfach die Beschwerde-Hotline gewählt: "Aber wie viel Dezibel Lärm hier entstehen, wollte mir keiner verraten." Im Gegenzug aber sei ihm mitgeteilt worden, dass sein Grundstück durch die JVA an Wert gewinne. Was aus seiner Klage wird, die sich auf Formfehler im Planverfahren stützt, erfährt er frühestens im Frühjahr 2010. "Bis dahin wird hier weiter gebaut."

510 Häftlinge sollen dort einmal einziehen, wo jetzt noch die fünf Kräne stehen. "250 Arbeitsplätze werden geschaffen, regionale Produkte eingekauft, hier entsteht ein Wirtschaftsfaktor", sagt Hans-Gerd Böhme. Auf EU-Ebene laufen derweil Beschwerden von Umweltverbänden. An dem Ort selbst wirkt das alles weit weg. Da dominiert das geschäftige Treiben der Bauarbeiter und Gertis Imbisswagen, der mit quietschroter Reklame auf dem betongrauen Areal steht. Ein Vorbote des neuen Wirtschaftsfaktors? Für das Kiosk auf dem JVA-Gelände gibt es immerhin schon eine Anfrage. Der nächstgelegene Anwohner möchte es pachten.