Kommentar Baerbocks Verzicht ist ein Akt der Vernunft

Meinung | Wuppertal · Sympathie allein reicht in der Politik nicht aus, Spitzenämter bekleiden zu dürfen. Ein Kommentar.

Annalena Baerbock hat ihren Verzicht auf eine Kanzlerkandidatur erklärt.

Foto: dpa/Sebastian Gollnow

Sympathie allein reicht in der Politik nicht aus, Spitzenämter bekleiden zu dürfen. Das gilt erst recht, wenn für so ein Amt Voraussetzung ist, gewählt zu werden. Insofern ist es eine weise Entscheidung von Annalena Baerbock, auf die Kanzlerkandidatur für ihre Partei, die Grünen, verzichten zu wollen. Das wird vor allem ihr Parteifreund, Vize-Kanzler und Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck, gern hören. Ihm werden Kanzlerambitionen nachgesagt.

Genau die hegt die amtierende Bundesaußenministerin Annalena Baerbock ganz offensichtlich nicht mehr. Dass sie diese Katze in einem Interview im US-amerikanischen Fernsehen aus dem Sack lies, mag ein Hinweis auf ihre künftigen politischen Ambitionen sein. Baerbock sieht sich selbst angekommen in der Welt der großen Diplomatie. Und tatsächlich hat sie nach anfänglichen Unebenheiten durch moralgetränkte Positionierungen eindeutig Land gewonnen. Baerbock ist eine ernst zu nehmende, verlässliche diplomatische Vertreterin der Bundesrepublik Deutschland mit Format und zumeist überparteilicher Haltung. Sie erfrischt das weltweite diplomatische Korps mit einer gewissen Unverstelltheit. Dass Baerbock aus der Mittelmacht Deutschland kein globales Schwergewicht machen kann, liegt letztlich vor allem daran, dass Diplomatie heute nicht mehr in der Hauptsache mit Geld gemacht wird, sondern mit militärischen Schutz- und Verteidigungsversprechen. Auch davor scheut die grüne Politikerin sich zwar nicht. Aber militärisch ist Deutschland zu schwach und vor allem historisch bedingt zu zurückhaltend für eine internationale Führungsrolle.

Innerparteilich läuft bei den Grünen nun also alles darauf hinaus, dass Robert Habeck der nach Baerbock zweite Kanzlerkandidat der Partei werden wird. Dazu muss er zwar noch den linken Flügel der Grünen überzeugen. Aber wenn die Partei den Gegenwind in der Wählergunst brechen will, ist der pragmatische Politikerklärer Robert Habeck die derzeit einzig richtige Galionsfigur für die Grünen.