Atomdebatte: Zündstoff für den Wahlkampf
Ein Kommentar von Eberhard Fehre
Die Atomkraft ist umstritten. Glaubten wir einst, mit der neuen Energie alle Übel dieser Welt heilen zu können, hat spätestens die Katastrophe von Tschernobyl - zumindest in Deutschland - die Ängste vor den Risiken so beflügelt, dass der Ausstieg mehrheitsfähig wurde. Geblieben aber ist uns allen - Befürwortern wie Gegnern - ein noch viele Jahrtausende strahlendes Erbe, dessen sich niemand annehmen will. Der Salzstock Gorleben, 1983 als Endlager von der Regierung Kohl favorisiert, diente dabei auch als eine Art Alibi: Solange man den Salzstock erkundete, musste man sich um Alternativen nicht kümmern. Auch wenn immer klarer wurde, dass Gorleben wohl nicht die Lösung des Problems sein werde.
Inzwischen scheint zudem die Vermutung zur Gewissheit geworden, dass die Entscheidung für Gorleben weniger fachlich, sondern vor allem politisch motiviert war. Die Warnungen der Wissenschaft wurden ignoriert, stattdessen ein Gefälligkeitsgutachten erwünscht und geliefert. Diese Manipulation der damaligen schwarz-gelben Regierung muss das ohnehin geringe Vertrauen in die Regierenden weiter erschüttern. Ehrlichkeit in der Politik, wie sie jetzt SPD-Umweltminister Gabriel für sich in Anspruch nimmt, ist gewiss eine schöne Sache. Aber noch überzeugender wäre es, wenn die Wahrheit nicht ausgerechnet drei Wochen vor der Wahl ans Licht käme. Man muss nicht krankhaft misstrauisch sein, um hier misstrauisch zu werden.
Denn die Auseinandersetzung ums Endlager ist natürlich auch ein Streit nach dem St.-Florians-Prinzip: Gerade die Unionsländer Baden-Württemberg und Bayern, stets die lautesten Rufer nach längeren Laufzeiten für Kernkraftwerke, fürchten eine ergebnisoffene Prüfung. Deshalb, weil Wissenschaftler in diesen Ländern geeignete Lagerstätten vermuten. Aber Proteste im niedersächsischen Wendland sind aus dieser Sicht allemal leichter zu ertragen als vor der eigenen Haustür.
Nach der Wahl wird die Aufregung schnell wieder verfliegen. Gorleben scheint tot, neue Standorte müssen geprüft werden. 2026, so will es der Umweltminister, soll der Bundestag entscheiden, 2040 das Endlager in Betrieb gehen. Aber was sind schon drei Jahrzehnte für ein Erbe, das dann 100000 Jahre vor sich hin strahlt?