Auslaufmodell Industriestandort?
Großinvestitionen sind in Deutschland kaum noch zu realisieren.
Im westfälischen Datteln bahnt sich eine industriepolitische Katastrophe an, deren Ausgang kaum noch zu beeinflussen ist. Wenn der Bund für Umwelt und Naturschutz mit seinem Antrag auf einen Baustopp für das Kohlekraftwerk bei der Bezirksregierung Münster durchkommt, wird auf einer der größten Baustellen in Deutschland von einem Tag auf den anderen die Arbeit ruhen. 2600 Arbeiter und Ingenieure würden ihren Job verlieren. Mit einem Federstrich würde so ein Gutteil des von der Bundesregierung beschlossenen Konjunkturprogramms wieder verpuffen.
Doch das wären nur die ersten - in ihrer Dimension kaum vorstellbaren - Auswirkungen. Ausgerechnet in der größten Wirtschaftskrise der Nachkriegsgeschichte droht sich der Industriestandort Deutschland selbst zu zerlegen. Die Beispiele sind längst Legion: Das Drama von Datteln, der kommunalpolitische Widerstand gegen andere Kohlekraftwerke in Krefeld, Mainz und anderswo, der Baustopp der CO-Pipeline zum Bayer-Standort Uerdingen und nicht zuletzt die bewusste Weigerung der Großen Koalition, die Frage der atomaren Endlagerung in vier vertanen Regierungsjahren nur einen Millimeter voranzubringen. Es hat den Anschein, als sei es in Deutschland unmöglich geworden, industrielle Großprojekte zu realisieren.
Dabei sollen die juristischen Fehler, die bei manchen Projekten gemacht worden sind, nicht ausgeblendet werden. In Datteln hat die Kommune gegen die Landesplanung verstoßen, und bei der CO-Pipeline hat der Bauherr offenbar nicht alle Vorgaben eingehalten. Aber auch bei solchen Rechtsverstößen muss der Verfassungsgrundsatz der Verhältnismäßigkeit beachtet werden.
Zudem sind die unabhängigen Gerichte ebenso wie die Medien vom Zeitgeist beeinflusst - der den realen Bedürfnissen der Gesellschaft zuweilen gefährlich hinterherhinkt. Während sich China mit Macht anschickt, Deutschland Marktanteile in der Exportwirtschaft abzujagen, steht die deutsche Energiewirtschaft kurz davor, ihre Produktionsanlagen ins Ausland zu verlagern.
Bei allen Chancen, die regenerative Energien in den kommenden Jahrzehnten bieten: Ein Ausstieg aus der Atomwirtschaft und ein gleichzeitiger Verzicht auf den Bau effizienterer Kohlekraftwerke gehen nicht zusammen.