Meinung Cannabis mit Qualitätssiegel

Wer glaubt, dass mit dem neuen Gesetz und der kommenden Cannabisagentur goldene Zeiten für Kiffer anbrechen, der täuscht sich gewaltig. Von ihrer bisherigen Linie, dem Totalverbot eines — je nach Sichtweise — Genussmittels oder Rauschgiftes, rückt die Bundesregierung kein Stück ab.

Foto: Judith Michaelis

Wer sich mit Gras oder Haschisch jenseits der tolerierten Eigenbedarfsgrenze erwischen lässt, der bekommt Ärger. Das wird sich auf absehbare Zeit in Deutschland auch nicht ändern.

Dennoch ist die geplante Gesetzesänderung und vor allem die Einrichtung einer Cannabisagentur ein grundlegender Paradigmenwechsel. Zum einen wird der industrielle Anbau von Medizin-Hanf erstmals in Deutschland zugelassen. Wohl auch, um bei künftig steigendem Bedarf und Konsum weniger von Lieferanten aus dem Ausland abhängig zu sein. Die Agentur soll Anbaumengen, Abgabe und Qualität überwachen. Gras als Qualitätsware aus Deutschland. Bisher hatte die Regierung das immer abgelehnt.

Mit der geplanten Neuregelung verlagert sich zudem der Fokus von Fertigarzneien, die es in Apotheken heute vor allem gibt, hin zu den Cannabisblüten, also dem unverarbeiteten Naturprodukt. Das ermöglicht Patienten, ihren Konsum — oder besser gesagt ihre Therapie — individueller zu gestalten. Wenn die Agentur ordentlich arbeitet, wird der offizielle Abgabepreis künftig nicht viel über dem auf der Straße liegen. Das freut — bei einer Kostenübernahme — die Krankenkassen und auch viele Patienten, die sich den Heilstoff aus Kostengründen über andere, illegale Kanäle beschaffen mussten.

Der eigentliche Verdienst des Berliner Sinneswandels ist aber, die Frage einer allgemeinen Freigabe von Cannabis von der nach dem medizinischen Nutzen oder gar Notwendigkeit zu trennen. Man kann nämlich sehr wohl das eine tun, ohne das andere zu lassen. Wer Gras und Co. zu therapeutischen Zwecken freigibt, kann dennoch darüber diskutieren, ob der Stoff ein Genussmittel oder -gift ist.