Das Bürgertum fremdelt mit der Union

Merkels Halbzeitbilanz weist unter dem Strich rote Zahlen aus

Die Zahlen sprechen für sich: Deutschlands Wirtschaft wächst, auch wenn Experten vor einer Eintrübung des freundlichen Klimas warnen. Die Steuereinnahmen steigen, die Arbeitslosigkeit sinkt. Üblicherweise gehen Regierungen dank solcher Parameter mit Rückenwind in die zweite Hälfte der Legislaturperiode. Deshalb ist Bundeskanzlerin Angela Merkel am Freitag in ihrer letzten Pressekonferenz vor der Sommerpause auch nicht müde geworden, all die guten Wirtschaftsdaten als Erfolge ihrer Regierungsarbeit zu bezeichnen. Deutschland gehe es so gut wie lange nicht mehr, sagte sie. Und das ist richtig. Abgesehen davon, dass immer noch zu viele Privathaushalte nicht mit dem auskommen können, was sie einnehmen, geht es der weit überwiegenden Mehrheit der Deutschen gut. Aber die Wähler werten das nicht als Leistung der phasenweise chaotisch wirkenden Koalition, sondern als Stärke der Wirtschaft.

Nun darbt die Regierung in den Umfragen. Rot-Grün scheint uneinholbar enteilt zu sein. Für Schwarz-Gelb sieht es schlecht aus mit der Wiederwahl. Daran trägt neben einer desolaten FDP die Bundeskanzlerin und CDU-Vorsitzende die Hauptschuld. Ihr ist es in den vergangenen zwei Jahren nicht gelungen, der Union ein neues, jüngeres und trotzdem bürgerliches Profil zu geben. Sie schwankt, sie wankt, sie überrascht mit übereilten Beschlüssen wie dem Atomausstieg. Sie lässt die FDP zunächst am ausgestreckten Arm verhungern, um ihr dann doch mit Steuersenkungen entgegenzukommen, die das Volk gleichwohl rundweg ablehnt. Denn den Wählern ist Schuldenabbau wichtiger als die selbst definierte Daseinsberechtigung der FDP.

Angela Merkel ist unberechenbar. Das unterscheidet sie von allen bisherigen Kanzlern aus der CDU. Und jetzt ist es den Konservativen genug. Das Bürgertum wendet sich ab von der Union. Das ist misslich — zwei Jahre vor der Bundestagswahl.

In der Großen Koalition war Merkel eine brillante Moderatorin zwischen SPD und CDU. Die Gestaltung von bürgerlich-liberaler Politik mit konservativer Handschrift aber gelingt ihr nicht. Nun könnte es sich rächen, dass sie konservative Stars wie Friedrich Merz und Roland Koch vertrieben hat. Solche Leute fehlen der Union. Und es bleibt nicht mehr viel Zeit, das zu ändern.