Das Recht gilt auch für Feinde des Rechts
Die Richterschelte erscheint auf den ersten Blick gerechtfertigt - angesichts der Entscheidung über die Freilassung des Ex-RAF-Terroristen Christian Klar. Der wegen Mehrfachmordes Verurteilte hat schwerstes Unrecht auf sich geladen.
Und auch mehr als 30 Jahre nach seinen Taten zeigt er keinerlei Reue, geschweige denn entschuldigt er sich bei den Angehörigen seiner Opfer. Die aber müssen ein Leben lang mit den Folgen der Taten leben. Und der Täter? Der darf ein Praktikum am Berliner Ensemble antreten. Das kann zornig machen. Und trotzdem:
Die Richterschelte ist nicht gerechtfertigt. Als Bundespräsident Horst Köhler im Mai 2007 eine Begnadigung Klars ablehnte, da spielte es durchaus eine Rolle, dass Klar keine Reue zeigte. Vor dem Oberlandesgericht Stuttgart ging es aber nicht mehr um die Entscheidung "Gnade vor Recht", sondern um das Recht. Und das Recht regelt eindeutig die Kriterien für eine vorzeitige Haftentlassung auf Bewährung. Kriterium auch bei lebenslanger Freiheitsstrafe ist nicht ein Bitten um Verzeihung oder ein sehr später Beitrag zur Aufklärung des damaligen Tathergangs, sondern die Frage: Geht noch eine Gefahr vom Täter aus? Eben das haben die Richter in Übereinstimmung mit Gutachtern und der Generalbundesanwaltschaft verneint.
Und was ist mit dem Argument, dass der wegen Mehrfachmordes Verurteilte doch besonders schweres Unrecht auf sich geladen hat? Eben dieses Unrecht war Gegenstand des Strafurteils und ist mit der verhängten Mindesthaftdauer von 26 Jahren abgegolten. Damit liegt Klar immerhin sechs Jahre über den rund 20 Jahren, die eine Verurteilung zu lebenslanger Freiheitsstrafe in der Praxis bedeutet. Denn seit einer Grundsatzentscheidung des Bundesverfassungsgerichts von 1977 gilt der Satz: "Auch lebenslänglich ist vergänglich." Jedem Verurteilten muss seither die Chance verbleiben, irgendwann seine Freiheit wiederzuerlangen. Das gebietet die Menschenwürde.
Auch wenn die RAF-Terroristen sich selbst als Befreiungskämpfer sahen - sie waren Kriminelle, sie waren Mörder. Für sie galt und gilt das ganz normale Strafgesetzbuch. Jetzt irgendwelche Sonderregeln zu konstruieren, hieße, ihnen im nachhinein den einst gewünschten Sonderstatus zuzugestehen.