Zeitenwende in der Landespolitik

Nordrhein-Westfalen ist kein Geberland mehr.

Was jahrzehntelang undenkbar schien, ist nun Fakt: Nordrhein-Westfalen ist vom Geber- zum Nehmerland geworden, reiht sich im innerdeutschen Länderfinanzausgleich ein in die Reihe der Almosenempfänger wie Bremen, Berlin, Thüringen oder Mecklenburg-Vorpommern.

Gleichsam wie ein innerdeutsches Entwicklungsland ist das einstmals so stolze und reiche Industrieland auf Zahlungen aus Hamburg, Wiesbaden, München und Stuttgart angewiesen.Das bedeutet eine Zeitenwende in der Landespolitik. Ein großer Teil des Selbstbewusstseins der vom Strukturwandel gebeutelten Region an Rhein und Ruhr speist sich aus der glorreichen Vergangenheit: Als an der Ruhr noch die Schlote qualmten, wurden die Gymnasien in Bayern mit dem Geld aus NRW gebaut. Das ist endgültig Folklore.

Das Laptop-Bayern päppelt nun die Hauptschulen in NRW, damit dort zumindest die Grundlagen beim Lesen und Schreiben gelegt werden - ein typischer Lastenausgleich in diesen Pisa-Zeiten.Diese Entwicklung ist ein neuerlicher Rückschlag in dem Bestreben der schwarz-gelben Landesregierung, NRW zurück in die Spitzengruppe der Bundesländer zu führen. "Bis 2010 wollen wir die Bayern überholt haben" -
dieser Spruch von Ministerpräsident Jürgen Rüttgers ist heute unrealistischer denn je.

Die hohe Neuverschuldung und die unterdurchschnittliche Steuerkraft bilden so ungünstige Rahmenbedingungen, dass die Aufholjagd etwa im Bildungsbereich nur noch schwerlich gelingen kann. Denn es fehlt schlicht an Geld.

Mit den knapp 5000 zusätzlichen Lehrerstellen hat sich die CDU/FDP-Koalition bereits nach der Decke gestreckt. Mehr geht kaum. Mit dieser Entwicklung ist Schwarz-Gelb vor der Kommunal- und vor der Landtagswahl ein wichtiges Thema genommen: Der Plan, sich als Koalition der
Sanierer zu präsentieren, ist geplatzt. Und doch liegt in dieser finanziellen Malaise auch eine Chance. Denn nun könnte das Land vor einem ganz anderen Hintergrund die Forderung nach einer Neuausrichtung des Solidaritätsfonds erneuern.

Die Milliarden fließen derzeit ausschließlich gen Osten, ins vermeintliche Armenhaus der Republik. Doch der Westen braucht auch Hilfe. Darüber muss man künftig reden - offen und ohne Scham.