Ein politischer Neuanfang sieht anders aus
Schäfer-Wer? - Am Ratespiel mit dem Doppelnamen des neuen Spitzenkandidaten der hessischen SPD haben viele ihren Spaß. Denn außerhalb seines Wahlkreises Gießen-Land kannten Thorsten Schäfer-Gümbel bislang nur Insider.
Die SPD zerrt einen aus der dritten Reihe nach vorne. Jemanden aus der ersten Garde hätte sie auch nicht bekommen. Spitzenleute haben nämlich etwas zu verlieren - und wollen sich nicht als Zählkandidaten verschleißen lassen. Denn die Chancen, dass die SPD in Hessen im kommenden Jahr den Ministerpräsidenten stellt, sind extrem gering.
Mit Schäfer-Gümbels Kür sind sie sogar weiter gesunken. Was nichts mit dem extrem kurzen Wahlkampf oder der Kompetenz des Politikwissenschaftlers zu tun hat, sondern mit seiner politischen Nähe zu Andrea Ypsilanti. Denn diese Personalentscheidung steht nicht für einen Neuanfang, wie er nach dem misslungenen Flirt mit den Linken dringend nötig wäre. Stattdessen wird ein Ypsilanti-Getreuer ins Rennen geschickt.
Sogar in dem unwahrscheinlichen Fall eines SPD-Sieges und einer Regierungsbildung unter Schäfer-Gümbel hätte der formale Chef kaum Gestaltungsspielraum. Der Schatten Ypsilantis, die ja den Partei- und auch den Fraktionsvorsitz nicht abgegeben hat, würde ihn erdrücken.
Wenn CDU-Ministerpräsident Koch im bevorstehenden Turbo-Wahlkampf keinen kapitalen Bock schießt, dürfte ihm nach dieser SPD-Entscheidung der Sieg, wahrscheinlich gemeinsam mit der FDP, kaum zu nehmen sein. Was absurderweise sogar heimliche Freude bei der Bundes-SPD auslösen könnte. Denn das die Partei nervende rot-rot-grüne Gespenst aus Hessen wäre dann wenigstens aus den Schlagzeilen. Zu störend wäre weiteres Theater der Marke Ypsilanti für die 2009 anstehenden Europa- und Bundestagswahlen gewesen.
Andererseits lassen die Appelle aus Berlin, die hessische SPD solle auf keinen Fall eine mögliche Koalition - auch mit der Linkspartei - ausschließen, aufhorchen: Für den unerwarteten Fall, das Wahlergebnis ließe es zu, gäbe es in Wiesbaden eine Regierungsbeteiligung der Linken. Und selbst Franz Müntefering findet das richtig. Eine Entwicklung, die - bei allem Staunen über die Personalie Schäfer-Gümbel - bemerkenswert ist.