Die Europawahl hat die Aussicht auf eine Ampel zerstört: Die SPD verliert die Macht-Perspektive
Europapolitisch ist das Ergebnis der Wahl vom Sonntag in Deutschland erfreulich unspektakulär ausgefallen. Die Wahlbeteiligung ist trotz eines müden Wahlkampfes nicht noch einmal abgerutscht. Und die EU-Skeptiker und Rechtspopulisten, die in den Niederlanden, Österreich und auch andernorts bedenkliche Zuwächse feiern, haben bei uns keine Chance bekommen.
Das gilt auch für die Linke, die weder mit ihrer europakritischen Haltung noch mit ihrem Sozialismus auf Samtpfoten punkten konnte. Deutschland ist auch in der größten Wirtschaftskrise der Nachkriegszeit ein Ort der Solidität. Ein größeres Kompliment kann man den Wählern in diesen Tagen nicht machen.
Mit Europa hatte diese Europawahl freilich nicht viel zu tun. Entsprechend entlarvend sind die Reaktionen der Parteien, die sich fast ausschließlich damit beschäftigen, was dieser Wahlausgang für die Bundestagswahl im September bedeutet.
Und tatsächlich ist der Fingerzeig deutlicher, als im Vorfeld zu erwarten war. Für die SPD ist das Ergebnis niederschmetternd. Ihren Negativrekord von vor fünf Jahren hat sie noch einmal unterboten. Nachdem die Partei seinerzeit einen Denkzettel für die Agenda-Politik von Gerhard Schröder bekam, muss sie nun registrieren, dass die Wähler ihr offenbar keine größere Rolle als den Juniorpartner einer Großen Koalition oder als größte Oppositionspartei zugestehen.
Für Franz Müntefering und seinen Kanzlerkandidaten Frank-Walter Steinmeier wird es nun ganz schwer, gegenüber den eigenen Genossen und auch den Wählern die Vision von einer SPD-geführten Bundesregierung aufrecht zu erhalten. In dieser Aussicht lag bisher das Mobilisierungspotenzial, das die SPD über die 30-Prozent-Marke hätte hieven können. Dem Kanzlerkandidaten Steinmeier aber fehlt das Charisma, um dieses strategische Dilemma ausgleichen zu können.
Entsprechend locker nimmt die Union ihre Stimmverluste hin, die vor allem ihrem Wunschpartner FDP zu Gute kamen. Die Partei der Kanzlerin kann sich glaubwürdig auch als künftige Kanzlerpartei verkaufen. Ob es dann aber tatsächlich für Schwarz-Gelb reicht oder doch noch zu einer Neuauflage der Großen Koalition kommt, das wird vor allem von der weiteren Entwicklung der Wirtschaftskrise abhängen.