Meinung Die Lage der großen Koalition nach ihrem Spitzentreffen: Drei Wegmarken

Für ihr intensives Ringen um Ergebnisse sollte man die große Koalition nicht automatisch kritisieren. Zum Teil lassen sich die Projekte, die sie noch auf der Agenda hat, eben nicht so schnell lösen.

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Siehe Rente. Schon gar nicht, wenn Finanzminister Wolfgang Schäuble fehlt. Es sind komplizierte und vor allem teure Vorhaben, deren Umsetzung daher nur in einem langwierigen Prozess gelingen kann. Und das, was möglich war, hat die Koalition bei ihrem Spitzentreffen am Donnerstag auf den Weg gebracht. Der Koalitionsvertrag wird abgearbeitet, wie bei der Lohngleichheit von Frauen und Männern. Immerhin das.

Neue, zukunftsorientierte Reformvorhaben jenseits der vereinbarten Themen stehen nicht mehr auf dem Programm des Bündnisses. Was daran liegt, dass beide Parteien ihren politischen Schwerpunkt langsam aber sicher verschieben - ihr Handeln orientiert sich immer stärker an der Bundestagswahl in einem Jahr. Da bleibt wenig Platz für neue Gemeinsamkeiten. Zwar sind die Koalitionäre nach ihrem Gipfel darum bemüht gewesen, das Gegenteil zu beteuern. Doch die Zeit der Abgrenzung voneinander hat klar begonnen.

In nächster Zeit werden deshalb drei wichtige Wegmarken die Zusammenarbeit der großen Koalition bestimmen. In Berlin geht man davon aus, dass ein Kandidat für die Nachfolge von Bundespräsident Joachim Gauck innerhalb der kommenden Wochen gefunden sein wird. Die Zeichen stehen diesbezüglich ein letztes Mal zwischen Union und SPD auf Miteinander. Freilich darf man das nicht falsch interpretieren. Das hat nur wenig mit Lust auf eine neue große Koalition zu tun. Sondern dahinter verbirgt sich die Erkenntnis, dass das Land gespalten ist wie selten, und Parteiengezänk um das höchste Staatsamt diese Kluft womöglich noch vertiefen könnte. Also sucht man in dieser Personalfrage derzeit den Konsens. Und das ist in der jetzigen Situation auch richtig so.

Nach der Kandidatenkür wird die großkoalitionäre Entfremdung aber vorangetrieben werden. Anfang November findet der Parteitag der CSU statt, auf dem die Christsozialen mit Macht ihr Alleinstellungsmerkmal als einzige Regionalpartei mit bundespolitischem Anspruch zur Schau stellen werden. Gegen Angela Merkel, gegen die SPD, vor allem aber gegen die AfD und für ihre Stammwählerschaft. Im Dezember folgt dann der CDU-Parteitag, auf dem Merkel wieder zur Bundesvorsitzenden gewählt werden will.

Dort dürfte sie auch ihre erneute Kanzlerkandidatur verkünden. Danach wird der Druck auf die SPD so groß sein, dass sie die Benennung ihres Anwärters auf das Kanzleramt kaum länger hinauszögern kann. Und es wird aller Voraussicht nach Parteichef Sigmar Gabriel werden, Vizekanzler und Wirtschaftsminister. Spätestens dann beginnt der Bundestagswahlkampf endgültig. Auch am Kabinettstisch.

Das ist die Gemengelage, die sich abzeichnet. Für die Umsetzung von Inhalten gibt es also bald kaum mehr Spielraum. Insofern kann man froh sein über alles, was die Koalition jetzt noch abgeräumt und auf den Weg gebracht hat.