Meinung Kaffeefahrten und teuer erkaufte Unterhaltung
Melden Sie sich an zu unserem Wanderlager zum Vertrieb von Waren — einer solchen Einladung würde kaum jemand folgen. Doch genau so nennt der Gesetzgeber die Kaffeefahrten: „Wanderlager“. Natürlich bezeichnen die Veranstalter ihre Angebote weder als Wanderlager noch als Kaffeefahrten.
Selbst Kaffeefahrt ist längst negativ besetzt, weil man damit assoziiert, dass Senioren bei Kaffee und Kuchen an einem abgelegenen Ort minderwertige Waren zum überhöhten Preis angedreht werden. Dass dennoch jährlich bis zu fünf Millionen Menschen in die Busse steigen, mag daran liegen, dass solche Veranstaltungen Unterhaltungswert im manchmal tristen Alltag haben, dass sie Kontaktmöglichkeiten bieten. Doch um welchen Preis?
Der Philosoph Schopenhauer hat mal gesagt: „Kein Geld ist vorteilhafter angelegt als das, um welches wir uns haben prellen lassen. Denn wir haben dafür unmittelbar Klugheit eingehandelt.“ Doch folgt man den Bedenken, die den Bundesrat bereits vor mehr als einem Jahr veranlassten, eine Gesetzesverschärfung anzumahnen, so geht es um mehr als bloßes „Übers-Ohr-Hauen“. Der Vertrieb von Nahrungsergänzungsmitteln und Medizinprodukten soll auf Kaffeefahrten ganz verboten werden. Zu Recht, denn selbst wenn solche Mittel vielleicht nicht direkt gesundheitsgefährdend sein müssen, mag solcher Art „Fachberatung“ durch Verkaufskünstler kränkelnde Senioren von der Inanspruchnahme seriöser medizinischer Beratung abhalten. Und wenn, so der Plan, auf Kaffeefahrten keine Finanzprodukte oder Pauschalreisen mehr verkauft werden dürfen, so wäre auch das wegen der finanziellen Dimension sinnvoll.
Dass NRW-Justizminister Thomas Kutschaty nun die Bundesregierung zum Handeln auffordert, ist pikant, weil im Verbraucherschutzministerium sein SPD-Parteifreund Heiko Maas und mit Gerd Billen als Staatssekretär der frühere oberste Verbraucherschützer sitzen. Das ändert freilich nichts an der Berechtigung des Aufrufs aus NRW. Doch selbst wenn dieser irgendwann erhört wird, so werden nur die gröbsten Auswüchse des Geschäfts mit den Wanderlagern abgestellt sein. Falsche Versprechungen und diejenigen, die darauf hereinfallen, wird es weiter geben. Wer kein Lehrgeld im Sinne von Schopenhauer bezahlen will, ist gut beraten, sich vorbeugend auf der Internetseite der Verbraucherzentrale NRW zu informieren. Da gibt es unter dem Stichwort „Kaffeefahrten“ nützliche Tipps.