Meinung Die Linkspartei und Europa: Zwischen allen Stühlen
Meinung | Berlin · Das Wischi-Waschi des so genannten Europa-Parteitags offenbart die Spaltung der Partei in Sachen EU.
Die Linke ist in der Vergangenheit nicht gerade als Europa-Partei in Erscheinung getreten. Daran hat sich prinzipiell auch wenig geändert, seitdem ihr nationales Aushängeschild Gregor Gysi vor drei Jahren zum Chef der Europäischen Linken – dem Zusammenschluss linker Parteien auf EU-Ebene – gewählt wurde. Und die deutsche Linke wird auf absehbare Zeit auch keine Europa-Partei werden. Davon zeugen die Wischi-Waschi-Beschlüsse ihres sogenannten Europa-Parteitags am Wochenende in Bonn.
Wer die Europäische Union für eine Ausgeburt des Imperialismus hält, eine neoliberale Profitmaschine und einen militaristisch orientierten Verein, der darf sich in der Linkspartei genauso heimisch fühlen wie jene, die von einer „Republik Europa“ schwärmen, die mehr statt weniger europäische Integration wollen und mehr Kompetenzen für Brüssel. Solche Extreme sind eigentlich nicht unter einen Hut zu bringen. Aber die Linke lebt von Extremen. Man denke nur an ihre Debatten(un)kultur, die auch vor persönlichen Anfeindungen auf offener Bühne nicht Halt macht.
In Bonn ging es immerhin sehr sachlich zu. Was auch daran gelegen haben mag, dass Sahra Wagenknecht, die prominenteste Polarisiererin der Partei, krankheitsbedingt fehlte. Umso mehr hätte sich allerdings auch die Chance für eine eindeutige Grundsatzentscheidung geboten. Doch am Ende wurden die Extreme nur verbal weichgespült. Das Wahlprogramm ist ein Mix aus fundamentaler EU-Kritik und positiver Erzählung. Im Kern bleibt die Linke beim Thema Europa gespalten, sitzt zwischen allen Stühlen.
Ob sich die Partei damit für die Europawahl am 26. Mai einen Gefallen tut, darf bezweifelt werden. Die Konkurrenz ist jedenfalls groß. Und vor allem klarer im Profil. Mit einer eindeutig pro-europäischen Haltung treten zum Beispiel die Grünen an. Und wer Brüssel mal richtig eins auswischen will, der kann sein Kreuzchen bei der AfD machen. Wobei eben auch ganz linke Linke vorzugsweise auf nationale Lösungen setzen und damit im Fahrwasser der Rechtspopulisten schwimmen. Genau das könnte viele potenzielle Linkswähler abschrecken. Von den beiden Spitzenkandidaten ist ebenfalls kaum ein Schub zu erwarten. Einer breiten Öffentlichkeit sind sie völlig unbekannt. Auch diese Entscheidung deutet übrigens darauf hin, dass Europa für die Linke nicht unbedingt eine Herzensangelegenheit ist. Gut möglich, dass sich die Partei am 26. Mai mehr für die Bürgerschaftswahl in Bremen als für die Europawahl interessiert. In Bremen haben die Linken die Chance, am Regierungstisch Platz zu nehmen, denn für Rot-Grün reicht es wohl nicht mehr.