Meinung Die Mitte der Gesellschaft bringt sich selbst in Gefahr

Der seit 2012 amtierende Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen ist einigermaßen frei von dem Verdacht, besonders anfällig für liberale oder gar linke Realitätsauffassungen zu sein. Ganz im Gegenteil.

Foto: Anna Schwartz

Der gebürtige Mönchengladbacher war mitverantwortlich dafür, Murat Kurnaz unschuldig im US-Gefangenenlager Guantánamo sitzen zu lassen statt ihn nach Deutschland zu holen. Im vergangenen Frühjahr bezeichnete er NSA-Enthüller Edward Snowden öffentlich als „Verräter“. Kurz darauf wollte er Blogger wegen „Landesverrats“ verfolgen lassen, weil diese den Budgetplan seines Bundesamts veröffentlicht hatten.

Man muss sich Maaßens rechts-konservative Geisteshaltung — die Grünen-Politikerin Renate Künast attestierte ihm ein „gestörtes Verhältnis zu den demokratischen Grundprinzipien“ — deshalb so eindringlich vergegenwärtigen, damit man versteht, welche wirkliche Dramatik darin liegt, wenn dieser Verfassungsschutzpräsident öffentlich vor einer „Radikalisierung von bürgerlichen Milieus und Wutbürgern“ warnt.

In aller Ausführlichkeit schilderte Maaßen gestern vor dem europäischen Polizeikongress in Berlin, wie sich eben nicht nur „brauner Mob“ zusehends radikalisiere (Verfünffachung rechtsextremistisch motivierter Straftaten seit 2014), sondern eben auch ganz normale Bürger eine „zunehmende Bereitschaft zeigen, Straftaten zu begehen oder beifällig daneben stehen“. Das Land, so Maaßen, erlebe eine Abkehr von Menschen gegenüber dem Rechtsstaat, die ihn bisher eher mitgetragen hätten. Diese Abkehr geschehe im Internet über „alternative Medienangebote“, zunehmend aber auch auf der Straße.

Das Einsickern rechtsextremen Gedankenguts in die bürgerliche Mitte und die Verdreifachung von Teilnehmerzahlen an rechtsextremistisch motivierten Demonstrationen schüren laut Maaßen jedoch genau jenen islamistischen Extremismus, gegen den sich die Teilnehmer vorgeblich richten. Die Gefahr, dass es dabei Tote geben könne, beschrieb Maaßen gestern als „keineswegs nur theoretischer Natur“.

Im Klartext: Wer sich den rechtsextremen Staatsfeinden anschließt, legt als Helfershelfer die Axt an die Wurzeln genau der bürgerlichen Ordnung, um deren Bestand er angeblich fürchtet. Menschen aus der Mitte der Gesellschaft bringen am Ende — neben aller Verwerflichkeit ihres Tuns — sich selbst in Gefahr.