Leitartikel Ein Urteil, das auch VW zu denken geben könnte

Dass die Luft, die wir atmen, durch die Abgas-manipulierten Diesel-Kfz wesentlich stärker belastet wird, als es eigentlich der Fall sein dürfte, ist hierzulande nicht justiziabel. Anders als in den USA, wo VW für seine Manipulationen kräftig zur Kasse gebeten wurde, taucht dieser Umwelt- und Gesundheitsaspekt bei uns in der Gesamtrechnung nicht auf.

Ein Kommentar von Peter Kurz.

Herzlichen Glückwunsch, VW, könnte man ironisch sagen.

Und so mussten die Wolfsburger nur noch die Dieselfahrer ruhig stellen — was mit einem Austausch der Software an den zurückgerufenen Kfz relativ preiswert zu machen ist. Die Kunden sollen halt darauf vertrauen, dass die Nachbesserung ihres Autos mit keinerlei Nachteilen verbunden ist. Dass das keinen erhöhten Spritverbrauch, keine sinkende Leistung und keinen geringeren Wiederverkaufswert zur Folge hat. Dumm nur, dass die Kunden dieses Vertrauen ausgerechnet einem entgegenbringen sollen, der es zunächst einmal gründlich missbraucht hat. Dass sich da manch einer ganz von seinem Kaufvertrag lösen will, verwundert kaum.

Das Landgericht Krefeld, das Autokäufern jetzt ein solches Rücktrittsrecht zugestand, findet sich mit seinem Richterspruch in der Minderheit. Zwar hatten auch schon die Landgerichte Lüneburg und München so entschieden. Die Mehrzahl der Gerichte aber hatte die Kunden mit der bloßen Nacherfüllung, wie der Austausch der Abgassoftware juristisch genannt wird, vertröstet. Sie müssen ihre Autos behalten.

Gerade mit Blick auf diese Mehrzahl der Urteile hatten auch Rechtsschutzversicherer ihren Kunden die Deckungszusage für Prozesse gegen die Autohäuser verwehrt. Diese Argumentation dürfte ihnen nun schwerer fallen. Und das könnte auch weitere Kläger ermuntern, sich nicht mit der bloßen „Nacherfüllung“ zufriedenzugeben.

Doch auch das Krefelder Urteil sollte freilich nicht so verstanden werden, dass man sich jetzt mit besten Aussichten in einen Prozess gegen seinen Autohändler stürzen kann. Solche Prozesse nutzen vor allem erst einmal den Anwälten. Und bei dem weiterhin ungewissen Ausgang riskiert man, als möglicher Prozessverlierer auf hohen Anwalts- und Gerichtskosten sitzen zu bleiben. Vielleicht ist ein Urteil wie das aus Krefeld eine Anregung an den VW-Konzern, seine Kunden wenigstens ein bisschen so zu behandeln wie die in den USA.