Meinung Ende der „schwarzen Null“ wäre keine Katastrophe
Meinung · Die „schwarze Null“, also einen Etat ohne neue Schulden, wird so oder so nicht zu halten sein. Und das ist auch keine Katastrophe. Zumal der Staat in diesen Zeiten sogar noch Geld gutmacht, wenn er sich welches leiht.
Sorglos haushalten war gestern. Den dritten Jahresetat der amtierenden Bundesregierung hat Finanzminister Olaf Scholz jetzt in den Bundestag eingebracht. Es ist der erste, dem man anmerkt, dass sich die gute Konjunktur in Deutschland dem Ende zuneigt. Damit wird es auch deutlich schwerer, die „schwarze Null“, also einen Etat ohne neue Schulden, zu halten. Scholz’ Liebe zu dieser Maxime scheint sich ohnehin stark abgekühlt zu haben.
Einen ersten Anhaltspunkt wird die nächste Steuerschätzung im November liefern. Bereits im Frühjahr musste die Bundesregierung ihre Wachstumsprognose massiv senken. Weniger Wachstum bedeutet aber auch weniger Steuereinnahmen. Und es gibt noch zahlreiche andere Risiken. Stichwort Solidaritätszuschlag. Trotz Auslaufen des Solidarpakts soll er auch im kommenden Jahr noch zum Teil erhoben werden. Die Besserverdiener sollen weiter zahlen.
Was aus Gerechtigkeitsgründen Sinn macht, wirft jedoch verfassungsrechtliche Fragen auf. Klagen sind bereits angekündigt. Sollte Karlsruhe ihnen stattgeben, könnten Scholz bis zu 20 Milliarden Euro an Einnahmen fehlen. Und ein zentraler Posten ist in den aktuellen Haushaltsplanungen noch gar nicht verankert. Am 20. September will das Bundeskabinett das Klimapaket verabschieden. Da geht es nicht nur um die vielzitierte „Bepreisung“ von klimaschädlichen Treibhausgasen. Da muss es auch um einen massiven Ausbau der öffentlichen Verkehrsmittel und um deutlich mehr Energieeffizienz in den Privathaushalten gehen. Das kostet.
Die „schwarze Null“ wird so oder so nicht zu halten sein. Und das ist auch keine Katastrophe. Zumal der Staat in diesen Zeiten sogar noch Geld gutmacht, wenn er sich welches leiht. Geschieht das in Maßen, wird auch die verfassungsrechtlich verankerte Schuldenbremse nicht angetastet. Nach der hat der Bund ausdrücklich einen gewissen Verschuldungsspielraum.
Nun wird argumentiert, dass die noch üppig vorhandenen Mittel schon jetzt nicht abfließen, weil es an Bau- und Planungskapazitäten fehlt. Aber das ist auch ein bequemes Argument. Denn oft genug leidet die Sache an hochkomplizierten Genehmigungsverfahren und viel zu bürokratischen Förderprogrammen. Wenn der Bund nun gar mit einer sinkenden Investitionsquote plant, dann sinkt auch der Anreiz für Investoren, neue Kapazitäten zu erschließen. Umgekehrt wird ein Schuh daraus: Gerade weil die Konjunktur schwächelt, muss die Finanzpolitik wieder beweglicher werden. Dazu gehört auch eine Entschlackung bürokratischer Vorschriften. Investitionsbedarf gibt es in Deutschland genug.