Meinung Erdogans lächerliche Reaktion auf ein plumpes Spottliedchen

Wem die schlichte Melodie des zugegebenermaßen recht fröhlich geratenen Erdogan-Schmähliedes aus dem Hause Extra 3 irgendwie bekannt vorkommt — dafür haben die Macher tief in die musikalische Mottenkiste gegriffen und sind im Jahr 1984 bei einer gewissen Gabriele Susanne Kerner, genannt Nena, fündig geworden.

Foto: Judith Michaelis

Ihr Liedchen „Irgendwie, irgendwo, irgendwann“ kommt mehr als 30 Jahre später mit der umgedichteten Zeile „Erdowie, Erdowo, Erdogan“ um die Ecke und sorgt für mehr diplomatische Verwirrungen als Sache und Inhalt wert sind. Außer einer gewissen Komik haben die Erdogan-Kritiker des NDR-Medienmagazins nicht viel zu bieten: Sie reihen aneinander, was man über den türkischen Staatspräsidenten gerade so mitbekommt, selbst wenn man sich nicht groß für Nachrichten interessiert und schrecken auch vor dumpf-deutschen Ressentiments nicht zurück, die jedem Pegida-Stammtisch zur Ehre gereichten. „Tschü mit ü!“

Man könnte die Angelegenheit also mit leichter Hand als künstliche Aufregung abtun. Ganz so einfach ist das allerdings nicht. Denn Erdogans Einmischung — sein Außenministerium fordert den umgehenden Stopp der vor zwei Wochen gesendeten Satire — wirft ein bezeichnendes Licht auf sein Selbstverständnis. Mit seinem gefühlt recht langen Arm versucht er Medienberichterstattung nicht nur vor der eigenen Haustür, sondern auch woanders zu beeinflussen, zu verhindern und zu zensieren. Just in einer Zeit, in dem freie Presse in seinem Land quasi nicht mehr existiert und in dem am Karfreitag ein Verfahren gegen zwei kritische Cumhuriyet-Journalisten begonnen hat, das mit Schauprozess korrekt benannt wäre — wenn Öffentlichkeit überhaupt zugelassen wäre. Ehemals kritische Zeitungen und Sender stehen in der Türkei längst unter staatlicher Kuratel und somit hinter Erdogan.

In einem — am liebsten — sicheren Herkunftsland, das seit mehr als einem halben Jahr einen blutigen Krieg gegen seine eigene Bevölkerung führt. Mit dem dennoch über einen EU-Beitritt verhandelt werden soll. Das durch einen windigen, vermutlich völkerrechtswidrigen Deal und fest zugekniffene Augen zum Dreh- und Angelpunkt bei der Lösung der so genannten Flüchtlingskrise befördert wurde. Kleine Brötchen muss Erdogan derzeit wahrlich nicht backen. Ankara weiß das genau. Berlin ahnt es — und schweigt auffällig laut zu der völlig überzogenen und lächerlichen Reaktion des Sultans.