Spähaffäre Erniedrigung und Devotheit
Beim Thema Spionage für die USA verbiegt sich Berlin
Wie die Amerikaner mit ihren deutschen Freunden umgehen, grenzt an Erniedrigung. Und wie die mit sich umgehen lassen, an Devotheit. Die Fakten: Die amerikanische NSA hat ungeniert mit ausgefeilten Programmen die Kommunikation in Deutschland und Europa durchgefiltert, sie hat nicht einmal gezögert, das Handy der Kanzlerin abzuschöpfen. Sie hat dem Bundesnachrichtendienst an die 25 000 Begriffe und Suchdaten (Selektoren) untergejubelt, die zur Ausspähung von deutschen und europäischen Interessen dienten, vor allem der Industrie.
Auf der anderen Seite hat die Kanzlerin im Wahlkampf 2013 zwar so getan, als sei hier eine Grenze überschritten („Ausspähen unter Freunden, das geht gar nicht“), aber gleichzeitig verheimlicht, dass die USA nicht einmal bereit waren, über ein No-Spy-Abkommen für die Zukunft zu verhandeln. Merkel und ihre Regierung haben sich entgegen ihrer sonstigen moralischen Grundsätze zudem geweigert, dem politisch verfolgten Edward Snowden eine sichere Zuflucht in Deutschland zu gewähren. Und sie halten aus Rücksicht auf die Amerikaner jetzt sogar die Liste der Selektoren geheim, mit denen der BND zur Spionage gegen das eigene Land missbraucht wurde.
Viel mehr an Selbstverbiegung geht kaum. Wenn man mit Regierungsvertretern redet, egal mit wem, kommt ganz schnell ein hilfloser Satz: Wir sind im Antiterrorkampf auf die amerikanischen Dienste angewiesen. Wir dürfen es uns mit denen nicht verscherzen. Mag sein. Aber wenn das so ist und so bleiben soll, dann soll man das offen sagen. Dann müsste man die deutschen Datenschutzgesetze gleich um folgenden Zusatz ergänzen: gilt nicht für US-Aktivitäten.
Zwar ist die Affäre noch kein Thema, das Angela Merkel wirklich gefährlich wird. Dazu interessieren sich noch zu wenige Bürger dafür, nehmen zu viele die Situation schulterzuckend hin. Aber hinter den Witzen, die im Alltag über die Ausspähungspraxis der Amerikaner und die deutsche Reaktion schon gemacht werden, steckt ein schleichender Vertrauensverlust in den Rechtsstaat, letztlich auch in die Kanzlerin. Bei ihr hat er sich in Umfragen bereits niedergeschlagen. Völlig zu Recht.