Kalte Progression: Mittlere Einkommen endlich entlasten

Die neue Debatte um die kalte Progression

Ein Kommentar von Annette Ludwig

Foto: Young David (DY)

Man könnte die aufgeflammte Steuerdebatte als Sommerthema abtun — zumal Kanzlerin Angela Merkel vor ihrer Abreise in den Urlaub „keine Spielräume, auch nicht im Bereich des Abbaus der kalten Progression“ gesehen hat. Doch der Anlauf, den der Wirtschaftsflügel der Union unternimmt, hat durchaus Chancen — aus mehreren Gründen.

Die Haushaltslage des Bundes ist so gut wie lange nicht mehr. Es ist nicht einzusehen, warum die große Koalition etwa Geld für die Mütterrente oder die abschlagsfreie Rente mit 63 nach 45 Beitragsjahren hat, aber nicht dafür, endlich die mittleren Einkommen von heimlichen Steuererhöhungen zu befreien. Deren Entlastung ist längst überfällig. Zumal auch der Staat unter dem Strich davon profitieren würde, da die Arbeitnehmer mehr Geld in der Tasche hätten, das vermutlich zu großen Teilen in den Konsum fließen würde.

Eine solche Entscheidung verlangt aber ein klares politisches Bekenntnis. Auch an dieser Stelle sieht es dieses Mal gar nicht so schlecht aus. Der Vorsitzende der Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung von CDU und CSU, Carsten Linnemann, der den Protest gegen die Steuerpolitik von Angela Merkel und Horst Seehofer organisiert, sieht bereits „eine breite Basisbewegung“ für einen Abbau der kalten Progression. Eben diese Basis könnte auf dem Bundesparteitag im Dezember tatsächlich den Anstoß zum Umdenken geben.

Dass Linnemann als Jahr der Umsetzung 2017 nennt, dürfte kein Zufall und vor allem politisch kein Nachteil sein — schließlich wird in diesem Jahr im Bund wieder gewählt. Welcher Spitzenpolitiker würde sich einem solchen Geschenk an die Wähler verschließen wollen?

Dann kommt auch noch Sigmar Gabriel ins Spiel. Ausgerechnet der SPD-Chef könnte für den Wirtschaftsflügel der Union zu einem wichtigen Verbündeten werden. Gabriel hatte sich bereits für einen Abbau der kalten Progression ausgesprochen. Zudem will er die SPD unter dem Druck weiterhin schlechter Umfragewerte künftig stärker auf die Wirtschaftspolitik ausrichten. Da bahnt sich etwas an. Gewinnen könnten am Ende die Steuerzahler. Wenn die kalte Progression tatsächlich abgebaut wird.