Meinung Der neue Fußball-Anstand
Meinung | Düsseldorf · Wie wohltuend war der Auftritt von DFL-Boss Christian Seifert als Kopf aller Bundesligisten. Freilich geläutert durch den Shitstorm einer verzichtbereiten Gesellschaft gegen die Fußball-Millionarios.
Die Fußball-Bundesliga hat viel Kritik einstecken müssen: abgehoben, realitätsfern, arrogant. Vom Geld verwöhnt, vom Geld verdorben – das sind die Klischees. Und oft sind sie wahr, weil die Branche sich in ihrer selbst geschaffenen Blase deutlich zu oft von der Restgesellschaft abgekoppelt hat. Dortmunds Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke war dafür ein ganz gutes Beispiel, als er in einer ARD-Sendung zur Krise am Samstag mit dickem Hals gegen übertriebene Corona-Maßnahmen ätzte und eingeforderte Solidarität von zuerst großen Vereinen wie Dortmund barsch ablehnte.
Wie wohltuend hingegen der Auftritt von DFL-Boss Christian Seifert als Kopf aller Bundesligisten. Freilich geläutert durch den Shitstorm einer verzichtbereiten Gesellschaft gegen die Fußball-Millionarios. Endlich klar, nicht trotzig, nicht anbiedernd, sondern faktenbasiert offen. So hört man auch jenen zu, die man nicht als das erste Opfer dieser gewaltigen Krise erwartet hatte, erwarten musste.
Aber natürlich bekommen diese Vereine ein Problem: Weil die horrenden Einnahmen durch die horrenden Betriebskosten der Gesamtapparate zum größten Teil verplant sind und niemand versichert ist gegen eine Pandemie. Weil nicht Zuschauer, sondern TV-, Investoren- und Sponsorengelder die Basis dessen sind, was deutsche Profivereine am Leben hält. Dokumentiert mit dem Not-Plan, die Saison auch ohne Fans mit 81 Geisterspielen jenseits des Pandemie-Höhepunkts und ohne Druck einer EM im Sommer zu Ende zu spielen. Um diesen Partnern zu bieten, wofür sie ihr Geld schon bezahlt haben.
Die Alternative: Abbruch der Saison. Spieler, die auf Gehälter verzichten. Solidaritätsfonds der Großen. Und hier oder dort fällt mal einer die Klippe hinunter, und mit ihm viele Arbeitsplätze. Nicht verwunderlich, dass die Liga versucht, dieses Szenario zu verhindern. Aber jetzt tut sie es mal mit Anstand.