Meinung Netanjahu zeigt, wie schwach Europa ist
Israels Premier Benjamin Netanjahu fühlt sich stark wie nie. Die Entscheidung von US-Präsident Donald Trump, Jerusalem als Hauptstadt Israels anzuerkennen, ist sein größter Triumph und verschafft ihm Anerkennung bei seinen Landsleuten.
Offensiv fordert Netanjahu die EU-Staaten auf, dem Beispiel der USA zu folgen. Dass der Premier in Brüssel derart auftrumpfen kann, liegt daran, dass die Europäer nicht wissen, wie sie mit dem Konflikt im Nahen Osten umgehen sollen. Sie sind zerstritten. Ungarn verhindert eine gemeinsame Stellungnahme der EU, in der die Hauptstadt-Entscheidung kritisiert wird. Tschechien ist drauf und dran, sich Trumps Haltung anzuschließen. Und Litauen sorgt mit seiner Einladung dafür, dass Netanjahu beim Treffen der EU-Außenminister seinen großen Auftritt bekommt, obwohl die Mehrheit das eigentlich nicht will.
Wer zwischen Israelis und Palästinensern Frieden stiften möchte, muss für die Zweistaatenlösung offen sein. Im Kern geht dieser Weg auf den UN-Teilungsplan von 1947 zurück. Ein besseres Konzept gibt es nicht. Netanjahu arbeitet aber intensiv daran, diesen Weg zu verbauen. Unbeirrt setzt er seine Siedlungspolitik fort. Trumps Vorgänger Barack Obama hat kurz vor dem Amtswechsel eine UN-Resolution passieren lassen, die die Siedlungen für illegal erklärt. Dies entspricht der Haltung von weiten Teilen der internationalen Gemeinschaft. Aber wen interessiert das schon? Netanjahu kann sich auf Trump verlassen. Der wiederum hat zwar keinerlei Plan zur Lösung des Konflikts, punktet mit seinem Votum für Jerusalem aber bei den Nationalisten daheim.
Die Gewalt im Nahen Osten wird wieder eskalieren. Eigentlich sind die Palästinenser des Kämpfens müde. Aber die radikal-islamische Hamas darf darauf vertrauen, bei ihrem Terror gegen Israel jetzt wieder mehr Rückhalt in der Bevölkerung zu haben. Und ihr Präsident Mahmud Abbas ist eine viel zu schwache Figur, um mäßigend zu wirken.
Nach der Jerusalem-Entscheidung fallen die USA als Vermittler aus. Das wäre die Chance für die EU gewesen, eine aktive Rolle zu übernehmen. Die Gemeinschaft hätte direkte Verhandlungen moderieren können, an deren Ende die Zweistaatenlösung steht und Jerusalem Hauptstadt beider Seiten ist. Doch dazu ist Europa nicht imstande, weil es keinen gemeinsamen Plan gibt. Stattdessen kann Netanjahu seine Stärke ausspielen und die EU in ihrer Uneinigkeit vorführen.