Neue EU-Führung: Proporz war das wichtigste Kriterium

Politik funktioniert in Brüssel nicht anders als in Berlin: Statt die wichtigsten Posten mit den besten Leuten zu besetzen, geht es nach Parteien-, Regional- und Geschlechterproporz. Ein Mann aus einem kleinen EU-Land und eine Frau aus einem großen, sie Sozialistin, er Konservativer - aber dafür sind beide gleichermaßen politisch blass.

Stolz können die EU-Regierungschefs auf ihre Entscheidung von Donnerstag Abend kaum sein. Dass sie trotzdem allesamt von einem "großartigen Durchbruch" sprachen, liegt daran, dass der kleinste gemeinsame Nenner einmal mehr niemanden als Verlierer erscheinen ließ. Gordon Brown hat Tony Blair nicht als Präsidenten durchsetzen können, dafür wird nun eine Britin Außenministerin. Angela Merkel und Nicolas Sarkozy wollten von Anfang an den belgischen Ministerpräsidenten Herman Van Rompuy zum EU-Präsidenten machen, weil er harmlos genug ist, um Macht und Einfluss der beiden wichtigsten Mitgliedsländer nicht zu beschneiden.

Jahrelang wurde um den Lissabon-Vertrag gerungen, jahrelang hat sich die Europäische Union nur um sich selbst gedreht, war Gefangene ihrer eigenen quälerischen Debatten. Nun endlich könnten ein starker EU-Präsident und ein starker EU-Außenminister Europa mehr Gewicht verleihen und verhindern, dass sich die USA, China und vielleicht auch Russland die Welt untereinander aufteilen. Doch die EU-Regierungschefs blicken noch immer zuerst auf ihre eigenen kurzfristigen nationalen Interessen.

Warum nicht Tony Blair? Weil er Premierminister eines euroskeptischen Landes war? Weil er mit George W. Bush in den Irak-Krieg gezogen ist? Der wahre Grund ist, dass einer wie Blair Merkel, Sarkozy und Co. die Show stehlen würde. Und warum nicht ein Deutscher? Warum nicht Wolfgang Schäuble oder Joschka Fischer - oder Frank-Walter Steinmeier? Ja, genau, Steinmeier! Warum hat sich die Kanzlerin nicht für ihren früheren Außenminister eingesetzt? Weil er Sozialdemokrat ist?

Es wäre an der Zeit gewesen, dass ein Deutscher wieder einmal eine internationale Spitzenposition besetzt. Ein bekanntes deutsches Gesicht an der Spitze Europas würde, und das ist dringend nötig, die Akzeptanz der EU im wichtigsten Mitgliedsland erhöhen. Chance verpasst!

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