Meinung Rentengipfel: Der große Konflikt ist nur vertagt
Beim Thema Rente könnte ein Wahlkämpfer vom Schlage Trump so richtig punkten, und zwar in jedwede Richtung: Dass man im Alter arm sein wird, dass die Ostrentner benachteiligt werden, dass die Jungen die Kreuzfahrten der Alten bezahlen.
Und so weiter. Man kann mit diesem Thema Hass erzeugen und die sozialen Sicherungssysteme verunglimpfen. Deswegen ist es gut, dass die große Koalition sich auf Verbesserungen geeinigt hat, die das Verhetzungspotential verringern.
Die gute Wirtschaftslage macht es möglich, dass gleichzeitig Betriebsrenten, Erwerbsminderungsrenten, Riester-Verträge und Ost-Renten gestärkt werden können, ohne dass irgendwem etwas weggenommen werden muss. Außerdem geht es den meisten Rentnern noch richtig gut, zumal viele Vermögen und Zusatzversicherungen haben. Noch werden die meisten Lebensrisiken sozial abgesichert und noch ist das alles auch bezahlbar. Doch das wird nicht so bleiben. Und die große demografische Zukunftsfrage ist überhaupt nicht beantwortet.
Das jetzige System der gesetzlichen Rente ist nur bis 2030 gesetzlich geregelt. Danach ist nichts sicher, außer dass das System seinen Sinn verliert, wenn alles so bleibt. Schlichtweg, weil dann die geburtenstärksten Jahrgänge in die Rente gehen und ihr sehr geburtenschwache Jahrgänge als Beitragszahler gegenüber stehen. Außerdem werden immer weniger Menschen regulär sozialversicherungspflichtig arbeiten. Zwei Arbeitnehmer sollen künftig einen Rentner finanzieren, und zwar länger als bisher, das kann nicht funktionieren. Erst recht nicht, um im Alter einen angemessenen Lebensstandard zu halten.
Sozialministerin Andrea Nahles hat gestern für die SPD ein langfristiges Konzept vorgestellt, dessen Charme darin besteht, alle ziemlich gleichmäßig zu belasten. Die Rentner, die einen Abschlag vom jetzigen Rentenniveau hinnehmen müssen, die Beitragszahler, für die es teurer wird, den Staat, der noch mehr zuschießen muss. Außerdem will sie die Selbstständigen in das System zwingen, um seine Basis zu verbreitern.
Auf der Negativseite steht, dass dieses Konzept das Wirtschaftsleben belastet - und die gesetzliche Rente für die junge Generation trotzdem nicht viel attraktiver macht. Von der Union freilich liegt überhaupt kein Konzept vor, außer der verschämten Idee einer weiteren Anhebung des Renteneintrittsalters auf über 67 Jahre, die die Partei aber weitgehend für sich behält. Sie käme nicht gut an. Doch ist fraglich, ob die Rente 2017 schon ein großes Thema wird. Es wird wahrscheinlich der letzte Bundestagswahlkampf werden, in dem sie nicht im Zentrum steht. Denn der Leidensdruck der Bevölkerung ist für große Weichenstellungen noch nicht groß genug, bei Alten wie bei Jungen nicht. Noch funktioniert ja alles. Scheinbar. Der große Konflikt um die Rente ist nur vertagt.