Schwarz oder Weiß ist nicht zu haben
Olaf Kupfer kommentiert den neuerlichen Sündenfall des Radsports.
Irgendwann ist bei jeder neuen Auflage der Tour de France der Punkt erreicht, an dem das Gefühl des Unwohlseins, der bösen Vorahnungen und Verdächtigungen in blankes Entsetzen umschlägt.
Am Donnerstag ist die Tour 2008 an diesem Punkt angelangt, weil der dritte Dopingfall das bislang prominenteste Opfer zu Tage förderte: Riccardo Ricco hatte bis dato zwei Etappen gewonnen, ist die Berge gleichsam hochgeflogen und hat dafür den 2004 an einer Überdosis Kokain verstorbenen Dopingsünder Marco Pantani zum Vorbild auserkoren.
Das ist dreist mit jeder Steigerung, unglaublich ist es aber längst nicht mehr. Auf den Etappen der nächsten Tage fahren auch weiterhin Sünder, die noch unerkannt sind. Etwas anderes anzunehmen, wäre naiv. Aber an ihrem Hinterrad mühen sich zweifellos auch "Kollegen", die das ad absurdum geführte Motto der neuen, sauberen Tour verinnerlicht haben.
Der Radsport der vergangenen Jahre war derart verseucht und von einer eigenen Sicht der Dinge geprägt, dass der Mechanismus zu dopen erst einmal besiegt werden will. Dass selbst zehn Jahre nach dem Festina-Skandal, bei dem Radprofis erstmals im großen Stil aufflogen, noch Fahrer mit Epo erwischt werden, ist dafür nur noch ein weiterer Beweis.
Bei der Tour 2008 sind bislang zwei Spanier und ein Italiener überführt worden, und wenn man sich die vielen "Einzelfälle" der vergangenen Jahre vergegenwärtigt, dann kann man wohl von zwei großen Fällen sprechen.
Damit ist freilich nicht gesagt, dass derzeit nur Italiener oder Spanier dopen, Auffälligkeiten bei dem Deutschen Stefan Schumacher oder dem Belgier Tom Boonen stehen dem entgegen. Aber ein Vergleich mit den französischen Radfahrern, die anders als in der Vergangenheit seit Jahren fast gar nicht mehr auffällig werden und dafür allen hinterherfahren, zeigt eine Tendenz.
Man kann sich jetzt weiterhin über jeden neuen Dopingfall aufregen, in den nächsten Tagen wird man reichlich Gelegenheit dazu haben. Man kann aber auch jeden erwischten Radfahrer als einen Nachweis eines funktionierenden Anti-Doping-Systems betrachten, das den Radsport - wenn auch mühsam und langsam - sauberer macht, ohne dass er jemals völlig rein wird. Der Radsport hat ohnehin nur diese eine Chance.