Sexualstraftäter Karl D. - Zwischen Angst und Freiheit
Was geschieht mit freigelassenen Schwerverbrechern?
Es ist ein Dilemma, das es nicht nur im Örtchen Randerath im Kreis Heinsberg gibt, sondern eines, vor dem zahlreiche Kommunen in ganz Deutschland stehen — insbesondere jene, die unmittelbar von den jüngsten Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte betroffen sind: Wie geht man mit Menschen um, die sadistisch gequält, vergewaltigt oder grausam gemordet haben, die sogar als rückfallgefährdet und gefährlich gelten, aber trotzdem auf richterlichen Beschluss in Freiheit gesetzt wurden?
Die Freigelassenen haben nach Verbüßen ihrer Strafe ein Recht darauf, in Freiheit zu leben. Die Gesellschaft — konkret: die Nachbarschaft — wiederum hat ein Recht darauf, vom Staat vor möglichen neuen Straftaten eben solcher Freigelassener geschützt zu werden. Ein klassisches Dilemma, denn beides scheint gleichzeitig nicht realisierbar: Die völlige Freiheit des einen bedingt Angst bei den anderen, der größtmögliche Schutz der Gesellschaft bedingt zumindest eine Einschränkung der Freiheit des Einzelnen.
Das Verwaltungsgericht Aachen, das am Montag über die Dauerüberwachung des nach wie vor als gefährlich geltenden Sexualstraftäters Karl D. entscheiden musste, hat sich für die Sicherheit der Mehrheit ausgesprochen. Die Richter kamen nach langer, reiflicher Überlegung zu dem Schluss, dass die Rund-um-die-Uhr-Überwachung nicht gegen unsere Verfassung verstößt: Die Polizeivorschrift für die Überwachung sei rechtmäßig angewendet worden, denn Karl D. sei weiter eine Gefahr für die Allgemeinheit.
Allerdings ließ das Gericht ausdrücklich eine Berufung beim Oberverwaltungsgericht zu. Die hat der Anwalt des Klägers auch bereits angekündigt. Es steht aber zu vermuten, dass auch das Oberverwaltungsgericht nicht abschließend entscheiden wird, sondern die Angelegenheit wohl erst beim Bundesverfassungsgericht endgültig geklärt wird. Zumindest bis dahin werden Karl D., sein Bruder und dessen Familie mit den Einschränkungen leben müssen, die die Rund-um-die-Uhr-Bewachung mit sich bringt. Die Kosten zahlt die Allgemeinheit — als ihren Preis für den Schutz vor möglichen weiteren Taten von Karl D. Das mag keine Ideallösung sein, aber die kann es bei einem klassischen Dilemma ja auch nicht geben.