Steuern: Wer sagt, was die Bürger wirklich erwartet?
Erinnern Sie sich? Ehrlichkeit! Diese Parole stand leuchtend über dem Wahlkampf 2005 der Union. Ganz ehrlich versprachen Angela Merkel und Co., die Mehrwertsteuer zu erhöhen.
Und ganz ehrlich sollte den Wählern erklärt werden, wie schlecht es um Deutschland wirklich steht. Am Ende stand für die Union in einer schon gewonnen gewähnten Wahl ein mäßiges Ergebnis, das sie in die Große Koalition zwang.
Nun geht es erneut um die Steuern. Und es sollte niemand sagen, die Union habe aus der Erfahrung von 2005 keine Lehre gezogen. Wenn der Wähler die Wahrheit nicht verträgt, so die kühne Überlegung, dann versprechen wir das Blaue vom Himmel: Steuerentlastungen. Aber das ist gefährlich.
Dass die Menschen bittere Wahrheiten nicht gern hören, ist sicher richtig. Aber man muss kein Experte sein, um zu erkennen, dass bei milliardenschweren Konjunkturprogrammen, sinkenden Steuereinnahmen und Rekord-Neuverschuldung so ziemlich alles möglich ist - außer Steuersenkungen.
Gerade in Zeiten einer Krise, wie wir sie nun erleben, steht die Politik besonders in der Verantwortung: Sie muss den Bürgern Orientierung geben. Das erfordert vor allem Aufrichtigkeit bei der Analyse der Lage.
Der Union kommt in dieser Hinsicht immerhin ein Verdienst zu, auch wenn sie das gar nicht beabsichtigt hat. Erst der Streit um ihre Steuerpläne hat die Debatte über das zentrale Problem der kommenden Jahre ausgelöst: Wie kriegen wir die Staatsfinanzen wieder in den Griff? Bisher hat keine Partei dazu einen Lösungsvorschlag präsentiert.
Wenn sich die Parteien auf die Unions-Strategie von 2005 besinnen würden, also ehrlich wären, müssten sie die Menschen auf einen beispiellosen Verteilungskampf einstimmen. Sie müssten zugeben, dass wir Konjunkturprogramme und Staatshilfen teuer bezahlen werden: mit schmerzhaften Streichungen im Haushalt, eventuell auch im sozialen Bereich, was dann die wachsende Zahl der Arbeitslosen treffen würde.
Mit weiteren Rekordschulden, die den kommenden Generationen noch größere Lasten aufbürden und den finanzpolitischen Spielraum wegen steigender Zinsen verringern werden. Und - ganz ehrlich - auch mit steigenden Steuern.