Meinung Die Stichwahl bleibt – das ist gut, aber es geht besser

Meinung | Düsseldorf · Das Urteil zur verfassungswidrigen Abschaffung der Stichwahl bei den Bürgermeisterwahlen in NRW ist ein schlechtes Zeugnis für die schwarz-gelbe Regierungsmehrheit. Und doch muss es nicht das letzte Wort sein.

Bei der Urteilsverkündung des NRW-Verfassungsgerichtshofs im Streit um die kommunale Stichwahlen steht die Richterin Ricarda Brandts (3.v.r), Präsidentin des NRW-Verfassungsgerichtshofs, im Gerichtssaal in Münster neben ihren Kollegen.

Foto: dpa/Guido Kirchner

Als CDU und FDP in NRW jüngst eine Bilanz nach der Hälfte der Legislaturperiode zogen, da sparten sie nicht mit Eigenlob. Das war so wenig überraschend wie die Kritik der Opposition. Als Notengeber taugen beide nicht. Durchaus aber kann diese Rolle ein neutraler Schiedsrichter einnehmen. Das Landesverfassungsgericht ist so einer. Und das bewertete die Regierenden nun in einem wichtigen „Schulfach“: im Fach Demokratie bekommt die  CDU- und FDP-Mehrheit ein schlechtes Zeugnis. Die Abschaffung der Stichwahlen bei Bürgermeister- und Landratswahlen verstoße gegen die Grundsätze des demokratischen Rechtsstaats, so die Richter.

Gewiss, drei der sieben Richter sahen die Sache anders und taten in einem (für das Ergebnis des Urteils nicht relevanten) Sondervotum kund, dass für sie die Abschaffung der Stichwahl in Ordnung ging. Was noch demokratisch oder schon undemokratisch ist, darüber ist man sich also auch im Richterzimmer in die Haare geraten.

Wenn die Mehrheit eines siebenköpfigen Gremiums die Mehrheitsentscheidung des Landtags kassiert. kann schon das ein ungutes Gefühl hinterlassen. Und doch ist das Urteil richtig. Denn was aus dem Abschaffen der Stichwahl in Zeiten zunehmender Zerfaserung der Parteienlandschaft mit geschwächten Volksparteien gefolgt wäre, hätten wir im nächsten Herbst deutlich zu spüren bekommen. Entscheidet nämlich nach dem ersten und einzigen Wahlgang ein Kandidat die Wahl mit 25 Prozent der Stimmen für sich, dann muss er mit dem Makel leben, 75 Prozent der Bürger gerade nicht auf seiner Seite zu haben. Echte demokratische Legitimation sieht anders aus. In einer Stichwahl der beiden Besten des ersten Wahlgangs hingegen sieht diese Legitimation mit 50 Prozent plus doch schon ganz anders aus.

Nun zeigt das Sondervotum der in Münster „unterlegenen“ Richter, dass man die Sache auch anders sehen kann. Für die nächste Kommunalwahl bleibt es zwar bei der Stichwahl, doch es gibt Entscheidungsspielraum für spätere Änderungen des Wahlrechts. Vielleicht kommt dann ja der von dem Verein „Mehr Demokratie“ ins Spiel gebrachte Vorschlag eines Rangfolgenwahlrechts zum Zuge. Damit würde ein kostenintensiver zweiter Wahlgang überflüssig. Bei dieser Rangfolgenwahl  könnte der Wähler ohne wahltaktische Überlegungen auf dem Stimmzettel nicht nur seinen Favoriten, sondern auch denjenigen ankreuzen, den er für den Zweit-, Dritt- oder Viertbesten hält. Die Auszählung und Berechnung der Gewichtung wäre rechnerisch komplizierter, aber es würde dann in nur einem Wahlgang ein Kandidat gewählt, der sich wirklich auf eine überzeugende Mehrheit berufen kann.