Regelung Was der Azubi-Mindestlohn bringt
Meinung | Berlin · Viele Lehrlinge werden von den neuen Bestimmungen zum Mindestlohn gar nichts merken. Ungefähr jeder neunte Ausbildungsbetrieb wird jedoch in Zukunft spürbar mehr investieren müssen. Ein Kommentar.
Das Wehklagen in der Wirtschaft kannte kaum Grenzen. Manche Ökonomen entwarfen Horrorszenerien über die massenweise Vernichtung von Jobs. So war das vor gut vier Jahren, als der gesetzliche Mindestlohn an den Start ging. Heute ist von dieser Aufregung praktisch nichts mehr zu spüren. Dabei wurde die allgemeine Lohnuntergrenze schon zweimal erhöht. Und der nächste Aufschlag steht bereits fest.
Bei dieser Vorgeschichte ist es wenig überraschend, dass der große Aufschrei ausblieb, als das Kabinett jetzt auch einen Mindestlohn für Auszubildende auf den Weg brachte. Zumal der Gesetzentwurf dem Muster seines Vorbildes folgt: Wie vor vier Jahren gibt es Übergangsbestimmungen und Ausnahmen. Aber spätestens 2024 gelten einheitliche Spielregeln.
Ab dann soll sich die jährliche Steigerung an der Entwicklung der Tarifabschlüsse orientieren. Bildungsministerin Karliczek tat gut daran, diesen bewährten Mechanismus zu nutzen und sich bereits im Vorfeld mit den Gewerkschaften und zumindest Teilen der Wirtschaft darüber abzustimmen. Das nimmt der Kritik die Spitze.
Was nun die Lehrlinge selbst angeht, so werden die allermeisten von den neuen Bestimmungen gar nichts merken – weil ihre Vergütung erfreulicherweise jetzt schon deutlich höher liegt. Ungefähr jeder neunte Ausbildungsbetrieb wird jedoch in Zukunft spürbar mehr in seine Lehrlinge investieren müssen. Nicht ausgeschlossen, dass am Ende auch Ausbildungsplätze auf der Strecke bleiben.
Wer den Azubis nur einen Hungerlohn zahlt, hat es allerdings heute schon schwer, überhaupt noch Interessenten zu finden. Das hängt mit der demografischen Entwicklung zusammen, aber auch mit dem Wunsch vieler Jugendlicher, lieber zu studieren als eine Lehre zu absolvieren. Eine ordentliche Vergütung für Azubis kann mit dafür sorgen, dass die berufliche Ausbildung konkurrenzfähiger wird.