Was eine Demokratie aushalten muss

Düsseldorf. Wenn es für Horst Köhler dumm läuft, geht er als erster Bundespräsident, der bei eine Wiederwahl scheitert, in die Geschichte ein. Andere haben, wenn ein Gegenkandidat in Sicht war, gleich auf eine zweite Amtszeit verzichtet oder hatten, wie Heuss und von Weizsäcker, dank größter Beliebtheit keine Rivalen.

Lediglich Lübke stellte sich trotz eines FDP-Bewerbers 1964 der Wiederwahl.

Da ihn Union und SPD unterstützten, war das für ihn risikoarm. Pikant: Die FDP hatte damals ihren eigenen Mann ins Rennen geschickt, obwohl sie gemeinsam mit der Union regierte. Es wäre also gar nicht so neu, dass eine Regierungskoalition sich nicht auf einen gemeinsamen Präsidentschaftskandidaten einigen kann.

Wenn Gesine Schwan tatsächlich antritt, steht uns allerdings eine besondere Art von Wahlkampf bevor, der mehr als das Duell zweier Personen ist. Es entbrennt ein Wettbewerb zwischen den beiden großen Koalitionsparteien. Gefahren, das höchste Amt im Staate zu beschädigen, sind da leider eingeschlossen. Hoffentlich eskaliert die Auseinandersetzung nicht so, dass die Überparteilichkeit des Bundespräsidenten danach nicht mehr glaubwürdig zu vermitteln ist.

Andererseits sollte solch eine Rivalität, wenn sie fair ausgetragen wird, auch beim Wiederantreten eines Amtsinhabers kein Tabu sein. Ein "Affront", wie es CSU-Landesgruppenchef Ramsauer ausdrückt, wäre Gesine Schwans Kandidatur sicherlich nicht. So etwas muss eine Demokratie verkraften.

Die SPD ist jetzt in einer fatalen Situation. Würde sie doch noch Köhler unterstützen, würde ihr das als Einknicken gegenüber dem bürgerlichen Lager ausgelegt. Bleibt sie hingegen bei Schwan, gibt es zwei Risiken: Die Sozialdemokraten könnten ihre Kandidatin möglicherweise nur mit Stimmen der Linkspartei ins höchste Staatsamt hieven. Außerdem müsste Gesine Schwan sofort mit ihrem Wahlkampf beginnen - und würde damit dem sowieso geschwächten SPD-Chef Beck die Schau stehlen.

Wie auch immer: Köhler hat trotz allem gute Chancen auf eine zweite Amtszeit. Sein stärkstes Pfund ist und bleibt seine Beliebtheit. Wenn 76 Prozent der Deutschen sich ihn weiterhin als Präsidenten wünschen, ist das trotz formal anderer Entscheidungswege ein starkes Argument.