Politik unter Druck Zeit für eine umfassende Steuerreform

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Die Wahlperiode ist noch nicht einmal zur Hälfte vorbei, da haben Union und SPD ihre Schlüsselvorhaben bereits abgearbeitet: Mütter-Rente, Rente mit 63, Mindestlohn, schwarze Haushaltsnull. Was noch kommt, ist eher politisches Klein-Klein. Davon zeugte die Sitzung der Koalitionsspitzen Donnerstag in Göttingen. Davon zeugt auch der Rest des schwarz-roten Koalitionsvertrags.

Doch es könnte deutlich anders kommen. Anregungen dafür hat die Bundesregierung jetzt die führenden Wirtschaftsforschungsinstitute erhalten. Eine umfassende Streuerreform, so ihr Credo, ist nicht nur überfällig, sondern auch ökonomisch geboten.

Tatsächlich gibt es praktisch keine Partei, die den geltenden Einkommensteuertarif als gerecht verteidigen würde. Im unteren Bereich der Löhne und Gehälter schlägt der Fiskus besonders stark zu. Im oberen Bereich der Einkommensskala ist eher Milde angesagt. Der Spitzensteuersatz für Ledige wird schon bei einem zu versteuernden Einkommen von gut 50 000 Euro fällig.

Von einem Spitzengehalt kann an dieser Stelle aber wirklich noch keine Rede sein. Hinzu kommt, dass der Staat an jeder Lohnerhöhung kräftig mitverdient. Besonders problematisch wird es dann, wenn eine Lohnerhöhung nur die Preissteigerung ausgleicht. Dann sinkt die reale Kaufkraft sogar. Diese sogenannte kalte Progression wird regelmäßig beklagt.

In ihrem jüngsten Jahreswirtschaftsbericht hat die Regierung sogar gelobt, noch in dieser Wahlperiode die Voraussetzungen für einen Abbau eben jenes Effekts zu schaffen. Soll sie jedoch konkret werden, ist politisches Schweigen im Walde. Dabei sind die Rahmenbedingungen für eine umfassende Steuerreform selten so günstig wie jetzt. Der Staat erwirtschaftet Überschüsse, die nicht nur konjunkturell, sondern auch strukturell bedingt sind und damit nachhaltiger wirken.

Die Finanzlage der öffentlichen Haushalte hat sich entspannt. Der Bund investiert ohne neue Schulden zu machen kräftiger als geplant. Ja, er liegt bei der Haushaltssanierung sogar über Plan. Deshalb ist es nicht zuviel verlangt, dass die Beschäftigten den Aufschwung auch über reduzierte Steuern zu spüren bekommen.