Dr. Pop im „Pomg“ Dr. Pop: In diese Sprechstunde geht man gerne
Düsseldorf · Markus Henrik ist Musiker, Autor und Comedian und sprach in seinem Soloprogramm „Hitverdächtig“ über Popmusik und mehr.
Warum ist der 80er-Sound wieder so beliebt? Und warum ist der 90er Trash-Pop immer noch „geil“? Wieso rettet der Bee-Gees-Klassiker „Staying alive“ Leben? Fragen über Fragen, auf die einer die passenden Antworten kennt: Dr. Pop. Der hatte am Donnerstagabend im „Pong“ Sprechstunde.
Hinter dem Doktor für Beats und Sounds verbirgt sich der Musiker, Autor und Comedian Markus Henrik. Der gebürtige Essener hat tatsächlich über „Orientalismus in der Popmusik“ promoviert.
„Wer jetzt glaubt, man untersucht bei diesem Studium sechs Jahre lang einen Song, der hat recht“, witzelte Dr. Pop. Natürlich ist es nicht so, aber für seine Abschlussarbeit hat er „Beautiful Liar“, ein Duett von Shakira und Beyoncé, analysiert. Warum gerade dieser Song? „Ich hätte natürlich auch was von Prince nehmen können, aber seine Sachen mag ich zu sehr“, verriet er auf die Frage aus dem Publikum.
Außerdem sei es besser, etwas Abstand zum gewählten Thema zu haben. Schließlich möchte man ja seinen Lieblingssong auch nach der Promotion noch gerne hören.
Das „Pong“ im Herzen des NRW-Forums war für Dr. Pops Soloprogramm „Hitverdächtig“ die ideale Spielwiese. Statt Bühne gab es Teppich und Stehlampe. Zugegeben, für Wohnzimmeratmosphäre war die Decke zu hoch und damit die Akustik ein wenig mit Hall unterlegt. Der Stimmung tat das aber keinen Abbruch. Im Gegenteil: Markus Henrik spannte sein Publikum gleich vom ersten Moment an mit ein.
Da das „Pong“ keine Künstlergarderobe und damit keinen Backstage-Bereich hat, verschwand der Herr Doktor hinter der Mauer zum Treppenaufgang, um in verschiedene Kostüme zu schlüpfen und seinen großen Auftritt zu zelebrieren. Natürlich nicht, ohne Kerstin und Gerd aus dem Publikum wichtige Aufgaben zu übertragen. „Wenn ich auftrete, rufst Du ‚Da isser!’“, instruierte er Kerstin, und Gerd gab er auf: „Du rufst dann: ‚Ich will ein Kind von dir!’“ Die beiden gaben Vollgas und alle bogen sich vor Lachen. Damit war die Marschroute für den Abend klar. Es wurde ein Fitnesstraining für die Lachmuskeln und ganz nebenbei gab es noch interessante Details rund um Pop-Musik zu erfahren. Etwa, dass die durchschnittliche Länge einer handelsüblichen CD von 74 Minuten auf einen Sony-Manager zurückgeht. Der war ein Fan von Beethovens neunter Symphonie, die eben genau 74 Minuten lang ist.
„Er ärgerte sich immer, dass er die Schallplatte mit einer Aufnahme der Symphonie etwa zur Hälfte umdrehen musste“, plauderte Markus Henrik aus dem Nähkästchen oder besser aus der Hit-Fabrik. Denn der Silberling, der die Vinyl-Scheibe als Tonträger ablösen sollte, bekam dann tatsächlich mindestens 74 Minuten Spielzeit, um die Neunte in voller Länge am Stück hören zu können.
CD-Aufnahmen orientierten sich zukünftig an diesem Richtwert. Auch dass viele Pop-Songs bis heute nicht länger als drei Minuten sind, hat etwas mit der Schallplatte zu tun, denn die Singles boten nicht mehr Platz für eine Aufnahme.
Mit Witz und Charme nahm Dr. Pop Schlager-Sternchen wie den nuschelnden Pietro Lombardi und den Wendler aufs Korn. „Erstaunlich, man kann Musiker allein durch Zitate ihrer Songtexte beleidigen“, wunderte er sich augenzwinkernd und spielte auf einem so genannten „Sample-Pad“ einen Wendler-Hit an mit der sinnigen Textzeile: „Wenn die Feuermelder brennen …“ Da erübrigten sich weitere Ausführungen und Hendrik hatte einmal mehr die Lacher auf seiner Seite.
Auch seine Interpretation von Dylans „Blowin‘ in the Wind“ mit Beats und Samples oder eine Ed Sheeran-Parodie, stilecht mit Holzfällerhemd und Hornbrille, begeisterten.
Zwischendrin griff er selbst zur Gitarre oder setzte sich ans E-Piano, um Komponiertes aus eigener Feder vorzustellen. Schließlich ist der Mann ja auch Musiker und kennt die Zutaten für einen veritablen Hit. „Heute werden erfolgreiche Songs wie eine Pyramide geschichtet“, erklärte er. Es beginnt beispielsweise mit einem einfachen Beat, dann kommt eine Baseline dazu, schließlich die Stimme...
Und dann ist da noch die Sache mit dem Tempo. Der Bee-Gees-Evergreen „Staying alive“ entspricht im Rhythmus dem menschlichen Herzschlag und ist deshalb ideal als Erste-Hilfe- Maßnahme, wenn es um Wiederbelebung geht. „Wenn wir uns motivieren wollen, zum Beispiel beim Hausputz, dann geht das am besten mit Songs, deren Beats vier- bis fünfmal schneller als der Herzschlag sind“, so seine Empfehlung.
Aber warum sind die Sounds der 80er wieder so hip? „Das liegt an den Rhythmen“, erfuhren die aufmerksamen Zuschauer. „Damals kamen gerade die Elektroniksounds groß raus mit Bands wie Depeche Mode und die Technik machte es möglich, zu sampeln oder Wiederholungen im Computer zu programmieren“, so Markus Henrik. Genau das lieben Hip Hopper und Rapper bis heute.
Voilà. Die 80er waren doch mehr als schlechte Frisuren, Neonfarben und Neue Deutsche Welle. Warum „Pop-Trash“ aus der nächsten Dekade – hier insbesondere die Boybands – bis heute immer noch „geil“ ist, erklärte der Musik-Doktor so: „Das eine sind die Jugenderinnerungen und das andere eine gewisse nachsichtige Distanz zu dem Zeug, das wir gehört haben“, schmunzelte Henrik.
Dann stand plötzlich die Frage im Raum: „Wie waren eigentlich noch die Spitznamen der Spice Girls?“ Auf sein Publikum konnte sich der Comedian, der mit Frank Goosen eine Literaturreihe auf die Bühne bringt und ein eigenes Radioformat hat, an diesem Abend verlassen. Gemeinsam bekamen sie die fünf Namen zusammen: Posh, Ginger, Baby, Sporty und Scary-Spice.
Fazit: In die Sprechstunde dieses Doktors geht man doch gerne. Man möchte ihm wünschen, dass er mit seinem kurzweiligen Programm bald große Säle füllt.