Geschichte aus Düsseldorf Spar- und Bauverein feiert 125. Jubiläum
Düsseldorf · Vor 125 Jahren wurde der Düsseldorfer Spar- und Bauverein gegründet. Mitten in der zügellosen Industrialisierung wurde so eine solidarische Selbsthilfe geschaffen. Häusergruppen wie die an der Ruhrtalstraße stehen heute noch.
Nachdem sich immer mehr Eisen und Stahl verarbeitende Betriebe ab den 50er Jahren des 19. Jahrhunderts in den Stadtteilen Oberbilk, Lierenfeld und Flingern angesiedelt hatten, kamen auch viele Bauernsöhne aus dem Umland und der Eifel, später auch aus dem Ausland, in Düsseldorf endlich zu Arbeit und Brot. Die Einwohnerzahl verdoppelte sich innerhalb weniger Jahrzehnte, 1882 knackte die Stadt die Marke von 100 000 Einwohnern. Nur: Während die Fabrikeigentümer sich gerne nahe am Werkstor eine schöne Villa bauen ließen, lebten die zugezogenen Arbeiter beengt und unter hygienisch zweifelhaften Bedingungen. Es war üblich, dass Schichtarbeiter sich eine Schlafstelle teilen mussten. Oder, dass sich eine Familie in einem Zimmer einrichten musste.
Der ein oder andere Fabrikant reagierte auf diese Zustände. So entstand in Gerresheim bereits früh auf Kosten des Eigentümers der Glashütte, Ferdinand Heye, eine Arbeitersiedlung, in der wohnen durfte, wer sich anpasste. So musste die Haustüre immer offen bleiben.
In dieser Zeit wurde schließlich auch der Düsseldorfer Spar- und Bauverein von 119 Unterzeichnern als eingetragene Genossenschaft gegründet – genauer am 6. Mai 1898 in der Gaststätte „Zum Kurfürsten“ an der Flinger Straße 36. Die Idee war, die oftmals bedrückenden Wohnverhältnisse durch genossenschaftlichen Wohnungsbau zu verbessern. Bürgerliche Sozialreformer, engagierte Fachleute und gemeinwohlorientierte Organisationen der Arbeiterschaft stellten so in den Jahren einer oft zügellosen Industrialisierung eine solidarische Selbsthilfe auf die Beine, um aus eigener Kraft und durch den Zusammenschluss die soziale Lage und die Wohnungsnot der Arbeiter nachhaltig zu verbessern. Menschen, die niemals Wohneigentum hätten kaufen können, bekamen plötzlich die Möglichkeit, Anteile an einer Genossenschaft und damit ein Anrecht auf eine Wohnung zu erwerben.
„Der Düsseldorfer Spar- und Bauverein wurde in dieser Zeit zu einem Modellunternehmen der rheinischen Baugenossenschaftsbewegung“, sagt Kaspar Michels, der es wissen muss, bietet er doch seit sieben Jahren zumeist restlos ausgebuchte Stadtteil-Führungen zur Industriegeschichte entlang des gerade entstehenden Flinger-Pfades an.
Die ersten Häuser mit Kleinwohnungen wurden schon 1899 vom Architekten Friedrich-Christian Hofmeister an der StahIstraße in Oberbilk gebaut. Dieser „Prototyp“ von Mehrfamilienhäusern findet sich in allen 88 Häusern, die Fritz Hofmeister und der Spar- und Bauverein bis 1914 etwa an der Krahe-, der Hoffeld-, der Kiefern-, der Behren- und der Engelbertstraße baute. Mit diesen Gebäuden galten die Spar- und Bauvereine als „Pioniere der Städtebau- und Wohnkulturreform“, so Michels, und sie fanden sogar 1900 auf der Pariser Weltausstellung eine „lobende Erwähnung“.
Nach seinen Entwürfen entstand zwischen 1907 und 1909 an der Ruhrtalstraße die zwölfte Anlage des Vereins mit den auch heute noch existierenden drei Häusergruppen mit den Hausnummern 17-21, 6-12 und 22-28. In den 85 Wohnungen leben heute rund 150 Mieter. Und genau hier wurde jetzt eine weitere Stele des Flinger-Pfades aufgestellt.
Die Architektur des 1869 in Bückeburg geborenen Bergmannssohns Fritz Hofmeister, der nach der Ausbildung zum Zimmermann an der TH Berlin studiert hatte, wirkt nicht nur zweckmäßig und solide, sondern strahlt auch jetzt noch eine abwechslungsreiche schlichte Eleganz und freundliche Atmosphäre aus. Obwohl er in Düsseldorf mehr als 200 Wohngebäude, Industriehallen, Theaterbauten und Geschäftshäuser in unterschiedlichsten Baustilen entworfen hat, „ist er leider in unserer Stadtgesellschaft wenig bekannt“, bedauert Michels. Mit der neuen Stelle soll sich dies ändern.
Jedenfalls: Aus dem Spar- und Bauverein entwickelte sich die heutige Düsseldorfer Wohnungsgenossenschaft DWG mit inzwischen 11 000 Mitgliedern. Nach den beiden Weltkriegen engagierte die sich besonders für den Wiederaufbau von Wohnungen. Im gesamten Stadtgebiet finden sich aber auch große Neubauprojekte mit vielen Hunderten Mietwohnungen. Am 6. Mai feiert die DWG, die die Häuser an der Ruhrtalstraße heute immer noch verwaltet, nun ihren 125. Geburtstag.