Theater: Wenn Gefühle zur Ware verkümmern

Das Schauspielhaus bringt „Das Produkt“ des renommierten britischen Dramatikers Mark Ravenhill auf die Bühne.

Düsseldorf. „Irgendwas hat unseren Turm erwischt. Ich muss springen, Amy, ich werde sterben. Ich liebe Dich“. Seine letzte Nachricht auf ihrem Anrufbeantworter zieht einem den Boden unter den Füßen weg. Würde sie zumindest, wenn sie nicht dem Gehirn des Filmproduzenten entsprungen wäre, der die Schauspielerin gerade davon überzeugen will, die Hauptrolle in seinem nächsten Projekt zu übernehmen.

Mit „Das Produkt“ in der Inszenierung von Katharina Weishaupt bringt das Schauspielhaus nach Shoot/Get Treasure/Repeat in der letzten Spielzeit wieder ein Stück des renommierten britischen Dramatikers Mark Ravenhill auf die Bühne. Auch darin ging es um Gewalt und Terror und die Übersprungsreaktionen einer verängstigten Gesellschaft. Nun also „Das Produkt“, ein Stück, das den Zynismus einer Unterhaltungsindustrie bloßstellt, in der menschliche Gefühle nur mehr eine Ware sind, die möglichst grell und laut angeboten werden muss.

Einen Blockbuster will das Produzenten-Duo in die Kinos bringen. Eine Geschichte über Liebe, Hass, Terror, Sex, kurz: Alles, was in einem Hollywood-Streifen vorkommen muss, um Erfolg zu haben. Um die völlig absurde Handlung — eine Geschäftsfrau, die ihren Freund bei den Anschlägen auf das World Trade Center verloren hat, hat schnellen Sex mit einem Islamisten, verliebt sich in ihn und beherbergt schließlich ein ganzes Terrornetzwerk — transportieren zu können, brauchen sie Amy, die Schauspielerin, die alles „nur mit den Augen spielen kann.“

Auf dem gefühlstriefenden Höhepunkt angekommen, soll die verzweifelte Amy ihren Liebhaber fragen: „Mohammed, ich muss das wissen, bist du von Al Quaida?“

Das in das Stück integrierte Publikum erlebt die bitterböse Mediensatire hautnah - und oft genug atemlos — mit. Das Filmstudio, in dem der Zuschauer sitzt und das Casting stattfindet, erinnert mit seinen abgepolsterten, weißen Wänden nicht von ungefähr an eine Gummizelle. Und der karge, halb geschlossene Raum entfaltet seine bedrückende Wirkung schon, bevor das Spiel beginnt.

Ihre Hauptdarstellerin soll durch alle Aggregatzustände der Gefühle geschickt und dabei permanent erniedrigt werden, aber wenn der Produzent selbst über Gefühle spricht, hört es sich an, als ob er über Mode oder Shoppen reden würde.

„Dieser eine Moment, wo die Seele den Körper verlässt — wir brauchen da einen, der richtig gut mit Licht arbeitet“, erklärt er beispielsweise die Szene, in der Mohammed in Amys Armen stirbt. Wie manipulativ er ist, macht auch die Form des Stücks deutlich, denn Christof Seeger-Zurmühlen führt einen einstündigen Monolog.

„Das Produkt“ ist eine gelungene, ironische Abrechnung mit der Filmindustrie, die den Zuschauer trotz ernsten Themas höchst vergnügt zurücklässt.