Sie wenden sich in Ihrer Arbeit jetzt tatsächlich bereits an Jugendliche?
Schuldnerberater aus Haan „Jeder Kredit landet bei der Schufa“
<irwordspace style="word-spacing -0075em;"><irglyphscale style="font-stretch 1000078%;">Haan</irglyphscale></irwordspace> · Haans Schuldnerberater Klaus Gärtner über gefährliche TikTok-Challenges, Apps, die bei Finanzüberblick helfen, und darüber, warum Finanzbildung ein Schulfach sein sollte.
Klaus Gärtner ist Schuldnerberater bei der Caritas und unter anderem für Haan zuständig.
Klaus Gärtner: Ja. Vor einiger Zeit gab es in dem sozialen Netzwerk TikTok eine sogenannte Challenge, also einen Wettbewerb, wer die meisten Schulden bei der schwedischen Bank Klarna gemacht hat. Das hat meine Kollegin gesehen und wir haben beschlossen, dass wir da sofort ansetzen müssen.
Wie geraten junge Menschen denn in Schulden?
Gärtner: Oft durch „Buy now, pay later“-Angebote etwa von Klarna oder PayPal. Darüber kann ich etwas kaufen, bekomme aber das Gefühl, dass ich für die Zahlung noch ewig Zeit habe. Da verliert man schnell den Überblick. Und: Für jeden Kauf dieser Art schließe ich einen Kreditvertrag ab. Selbst für kleine Einkäufe fragt die Bank eine Schufa-Auskunft an, und das wirkt sich nicht positiv auf den Schufa-Score aus. Und wenn man nicht zahlt, werden kleine Einkäufe schnell zu riesigen Rechnungen. Im schlimmsten Fall kann einem sogar Betrug vorgeworfen werden, wenn man seine Schulden nicht zahlt, damit aber im Netz prahlt. Denn dann hat man mit Vorsatz gehandelt.
Wichtig ist Ihnen, dennoch nichts generell zu verteufeln . . .
Gärtner: Genau. Anbieter wie PayPal sind nicht per se schlecht, man kann sie zum Beispiel mit Käuferschutz und ohne die Option „In 30 Tagen bezahlen“ nutzen. Genauso sind auch Schulden per se nichts Schlechtes. Wenn ich zum Beispiel ein Haus kaufe, verschulde ich mich sinnvoll. Und wenn ich ein Auto auf Raten kaufe, kann das wirtschaftlicher sein als ein günstiges Gefährt zu kaufen, welches dann alle zwei Wochen zur Reparatur muss.
Sie wenden sich auch bereits an noch jüngere Kinder und Eltern.
Gärtner: Richtig. Gerade in dieser Woche war ich zum Elterncafé in einem Kindergarten. Einen Vortrag benötige ich da gar nicht; es kommen so viele Fragen aus der Elternschaft, dass ich die lieber tiefgründig beantworte.
Welche zum Beispiel?
Gärtner: Ein großes Thema sind Kindergeburtstage. Heute ist es oft üblich, Kinder zu großen Events einzuladen. Oder eine Riesenfeier zu organisieren. Da fühlen sich viele Eltern unter Druck gesetzt. Sie möchten das machen, können es sich aber nicht leisten. Da rate ich immer, zu überlegen: Für wen mache ich das? Hat mein Kind wirklich etwas davon, oder mache ich das für die anderen?
Ihre Kollegen besuchen auch die Kita-Kinder selbst?
Gärtner: Wir haben ein Projekt für Vorschulkinder. Dabei gibt es verschiedene Module rund um den Geldkreislauf. Es geht viel um Wünsche und Bedürfnisse, also die Frage: Was brauche ich wirklich, und was ist eher ein Wunsch, den ich oder Mama und Papa nicht einfach so erfüllen können. Auch Kinder müssen wissen, dass Geld nicht einfach aus dem Automaten kommt, sondern verdient werden muss. Außerdem besuchen wir eine Sparkasse und gehen mit den Kindern einkaufen. Sie bekommen jeder 50 Cent und können entscheiden: Was kann ich mir davon leisten?
Außerdem gehen Sie in die Schulen.
Gärtner: Ja, da gibt es zwei Ansatzpunkte. Die Stufe 9 besuche ich und informiere über Fallstricke etwa beim Kauf im Internet. Auch die Lehrer sind teilweise überrascht, was etwa ein Ratenkauf bedeutet. Für die Klasse 10 haben wir zusammen mit der Wohnungsnotfallhilfe, mit der wir in Haan kooperieren, eine Broschüre aufgelegt, den Wohnungsführerschein. Dazu haben wir in der Gesamtschule Haan ein Projekt gemacht.
Würden Sie gern mehr anbieten?
Gärtner: Allerdings. Der Bedarf ist absolut da. Aber dafür stehen uns nicht immer die Mittel zur Verfügung. Obwohl ich sagen muss, dass uns Haan trotz knapper Kassen immer unterstützt, und die Broschüre konnten wir dank der Sparkasse auflegen. Dennoch können wir nicht alle guten Ideen ermöglichen. Meiner Meinung nach müsste ein Fach wie „Finanzbildung“ im Lehrplan stehen. Das Thema ist so wichtig für das gesamte Leben!
Wo sehen Sie noch eine mögliche Schuldenfalle für Jugendliche?
Gärtner: Was wir feststellen, ist, dass es oft ausufert, mit Freunden auswärts Essen oder etwas Trinken zu gehen. Da wird hier ein Drink gekauft und dort einer, und schon hat man keinen Überblick mehr. Und: Dass über Geld nicht gesprochen wird, ist oft in den Familien verankert und müsste dringend geändert werden. Auch Ehepartner tauschen sich oft gar nicht aus.
Was ist Ihr wichtigster Tipp, um nicht in Schulden zu geraten?
Gärtner: Den Überblick zu behalten, ist das Allerwichtigste. Einen Plan zu haben. Wie oft habe ich schon gehört: „Das wird schon irgendwie funktionieren.“ Genau bei diesen Kandidaten funktioniert es dann nicht. Ein Haushaltsbuch führt heute keiner mehr. Aber es gibt super Apps, beispielsweise von der Verbraucherzentrale Bayern. Da kann ich sogar unterwegs mit drei Klicks eintragen, wofür ich gerade etwas ausgegeben habe. Das hilft sehr.