Steuerexperte warnt zur Ratssitzung So (un)gerecht sind die Grundsteuer-Sätze

Haan · Wenn sich die Mitglieder des Haaner Stadtrats am Dienstag zu ihrer Sondersitzung treffen, geht es vor allem um die künftige Höhe der Grundsteuer für Haus- und Grundstücksbesitzer. Im Vorfeld mehren sich jedoch die Stimmen, die vor einem Modell mit differenzierten Hebesätzen warnen.

Auch Häuser, die auf den ersten Blick absolut identisch scheinen, können unter Umständen unterschiedlich besteuert werden.

Foto: dpa/Jens Kalaene

Diese Entscheidung dürfte niemandem leicht fallen: In der Sondersitzung des Haaner Stadtrats heute Abend in der Aula der Gesamtschule Walder Straße sollen die Politiker festlegen, in welcher Höhe Haus- und Grundstücksbesitzer künftig besteuert werden sollen. Die Stadtverwaltung geht dabei mit einem einheitlichen Hebesatz ins Rennen, der 637 Punkte betragen soll – im Vergleich zu den bisher erhobenen 510 eine deutliche Steigerung, die von den meisten Fraktionen rundheraus abgelehnt wird.

Die Zeit drängt: Gehört Haan doch zu den 20 Kommunen im Land, die in einer Blitzumfrage des Bundes der Steuerzahler angegeben haben, ihre Hebesätze seien noch nicht beschlossen. Das wirft Probleme in der Praxis auf, denn erst wenn die Hebesätze beschlossen sind, kann die Stadt die Grundsteuerbescheide verschicken. Und erst dann darf sie das Geld von den Grundstückseigentümern einziehen. Am 15. Februar aber ist bereits die erste Quartalszahlung für die Grundsteuer fällig. Eile ist also geboten.

In der Ratssitzung am 17. Dezember vergangenen Jahres hatte die GAL den Antrag gestellt, von der neuen Möglichkeit differenzierter Hebesätze Gebrauch zu machen. Konkret schlug die Partei vor, den Hebesatz für Wohngrundstücke auf 536 Prozentpunkte und den Hebesatz für Nichtwohngrundstücke auf 958 Punkte festzusetzen. Ihr Hauptargument: Das Modell verteile die Belastung gerechter. Die WLH meldete damals Beratungsbedarf an, weil die städtische Sitzungsvorlage zu dem Thema erst spät vorgelegt worden sei. Nun kommt es also zu der bereits erwähnten Sondersitzung.

Unterstützung erhält die GAL von der CDU, die in einer Pressemitteilung ebenfalls wissen ließ, durch die unterschiedliche Besteuerung werde die finanzielle Belastung für viele Haanerinnen und Haaner geringer ausfallen, als bei der einheitlichen Variante. Das jedoch zieht Friedhelm Kohl in Zweifel. Der alteingesessene Haaner Steuerberater nennt als Beispiel zwei benachbarte, jeweils dreigeschossige Gebäude, in denen sich jeweils drei Mietwohnungen befinden. Beide haben ein Ladenlokal im Erdgeschoss, was in einem Fall auch tatsächlich als Geschäftsraum vermietet ist, im anderen Gebäude allerdings als Wohnraum genutzt wird. „Dieser eine Unterschied führt dazu, dass in dem komplett als Wohnraum vermieteten Gebäude alle vier Einheiten mit dem niedrigeren Hebesatz belegt werden, während in dem Haus mit Ladennutzung alle vier Einheiten höher besteuert werden“, sagt Kohl. Trotz einer möglichen Wohnnutzung von bis zu 80 Prozent würden gemischt genutzte Grundstücke also komplett wie Nichtwohngrundstücke bewertet. Gerecht sei das nicht.

Die SPD hatte sich bereits im Dezember grundsätzlich gegen Steuererhöhungen ausgesprochen. Auch die FDP hat angekündigt, „der erneuten Erhöhung der Wohnkosten in Haan keinesfalls zustimmen“ zu wollen. Die Stadtverwaltung rät von einer Differenzierung der Hebesätze ab und begründet das mit rechtlichen Unsicherheiten. Der Grundsteuer B unterliegen in Haan bislang 11 453 Fälle. Erkennbar ist der Stadt zufolge, „dass im Bereich der Wohngrundstücke der Messbetrag für Wohnungseigentum und Mietwohngrundstücke sinkt, während der Messbetrag für Ein- und Zweifamilienhäuser steigt.

Der Trend, einen differenzierten Hebesatz festzulegen, ist in NRW offenbar weniger eindeutig als noch im vorigen Jahr zu erwarten war. Erst 99 Kommunen haben laut der Umfrage des Steuerzahlerbundes differenzierte Hebesätze beschlossen, um eine erwartete Belastungsverschiebung zwischen Wohn- und Gewerbegrundstücken auszugleichen.

341 Städte und Gemeinden haben bis zum Stichtag 21. Januar auf die Steuerzahlerbund-Umfrage geantwortet. Eine Erkenntnis aus der Auswertung: Viele Kommunen haben ihre Hebesätze bereits in den Jahren 2023 und 2024 erhöht, um in diesem Jahr Zurückhaltung üben zu können. Im Herbst sind bekanntlich Kommunalwahlen. Ausreißer gibt es aber und zwar in alle Richtungen. Elf Kommunen haben demnach sogar Hebesätze jenseits der 1000 Prozentpunkte beschlossen, während sich die niedrigsten Hebesätze zwischen 238 (Stadt Verl) und 400 bewegen.